Mambo schrieb:
Ich würde da noch ein paar Aspekte hinzuziehen:
Das ganze Gehype heutzutage ist in meinen Augen viel viel kurzlebiger als früher. Es geht bei der Entscheidung für die Nachkommenden wohl weniger drum, über Jahre von älteren vom legendären Ring gehört zu haben, als um die BIlder des letzten Jahres, die man bei Instagram gesehen hat. Und da hat der Ring kurzfristig aufgrund der Unwetter / des Terrorabbruchs ziemlich gelitten - es kamen einfach weniger Meldungen, die einen zum Dabei-sein-wollen verleiten.
Hinzu kommt die erneute Verlegung - man hat gerade Mendig erfolgreich mit Wahnsinns Bildern als "Field of Dreams" aufgebaut, die immensen Vorteile vermarktet, die Nachteile des Rings betont - und kriecht dann kleinlaut zurück. Rock am Ring in Nürburg ist aber jetzt gefühlt eine völlig andere Veranstaltung, als die mit Riesenrad und Vulkan-Image von der 2015/16 erzählt wurde und das merkt man aktuell am fehlenden Legendenruf von RaR.
Auch die Headliner dieses Jahr sind nicht die großen Fanzieher. Die Foo's schon, Gorillaz von mir aus auch - aber sonst. Muse ist groß, aber eher ne Musikkenner-Band, schlägt in ne andere Kerbe als die das Ring-Publikum zum zahlreichen Kartenkauf bewegenden Kapellen. 30StM ist überhaupt kein Headliner.
Ich halte auch die neue Ticketpolitik für abschreckend. Für die Masse nichtmal so sehr wegen immer höherem Kommerzanteil, sondern weil das "Rundum-Sorglos-Feeling" verloren geht. Man hat sich früher einfach ein Ticket gekauft und da war alles drin. Ab aufs Festival und in die andere Welt.
Heute entsteht beim Bestellen eher die Sorge, ob man alles bedacht hat, ob nicht noch en Park-, Camp-, Atemluft- oder was auch immer Ticket fehlt.
Der erste günstig klingende Konzertpreis erübrigt sich ganz fix wenn man die Endkosten im Ticketshop sieht und dann immens negativ überrascht wird. Ich glaub da hat man sich auf lange Sicht sehr verzockt weil man durch zuviel offensichtliche Gewinnmaximierung den jahrelang aufgebauten Legendenstatus kaputtmachen wird. Man fühlt sich immer weniger als Teil einer großen Festivalfamilie - und immer mehr als "einer in einer Masse von 80.000 Kunden" - mit exakt den Rechten, die man individuell gekauft hat.
Gerade auch durch die Camping-Trennung. RaR hat immer vom Zeltplätze durchstreifen und all den Wahnsinn erkunden gelebt. Heute muss man an jeder Ecke überlegen, ob man dahinter mit seinem Bändchen überhaupt Zugang hat. Wenn ich mich auf nem Rock-Festival nicht mehr sorglos mit den gerade kennengelernten Leuten zum Pavillion-Bier treiben lassen kann, sondern erstmal checken muss, ob wir auch in der gleichen Klasse reisen, dann muss in der Prioritätensetzung des Veranstalters etwas extrem schief gelaufen sein.
Auch dadurch ist das große "Wir sind für 3 Tage alle gleich auf nem Riesenfestival"-Gefühl nicht mehr da. Das findet man jetzt auf Taubertal, Open Flair, Rocco del Schlacko etc. Ich glaube das ist viel entscheidender als der günstigere Preis dort an sich.
Zitat anzeigen
Ich hatte mich vor paar Monaten ja schonmal zu dem nun wieder aktuellen Thema ausgelassen, daher nochmal zitiert, gerne auch für den Brief. Bitte nicht wieder den streitbaren Headliner-Teil diskutieren jetzt, das hatten wir damals schon.
Noch zusätzlich, was mir heute noch einfiel:
Ich glaube einfach ein immenser Teil liegt auch an DIngen, für die MLK nix kann. Die ganzen Verlegungen die Image-Schäden durch Wetter/Terroralarm, die fehlenden "RaR2016/RaR2017-war-geil-guck-dir-das-diesjahr-mal-an"-Geschichten.
Auch der Nürburgring ist einfach nicht mehr so legendär, seit da keine Formel 1 mehr stattfindet. Überhaupt ist die Formel 1 auch erheblich weniger populär als in den 90/2000ern. Durch beides ist es etwas deutlich weniger besonderes, dass am Nürburgring ein Festival ist. Ich konnte bei meinem ersten RaR - obwohl selbst kein Motorsportfan - es kaum glauben, gerade auf der Rennstrecke zu stehen. Ich glaube allein das hat schon viele angezogen und der Effekt fällt jetzt mMn weitgehend weg.
Ich bin, wie oben zu lesen, ein großer Gegner der Campingplatzteilung.
Es macht für mich das eigentlich wichtige an einem Festival zunichte: Dass 80.000 völlig gleichberechtigte Leute (vom Maurer bis zum Prof!), die in Konstellationen, die sich sonst nie ergeben würden, zusammenkommen und 5 krasse Tage voller spontaner Erlebnisse haben.
Aber auch abseits von mir, ich komm bisher ja eh: Ich hab auch überhaupt keinen Bock mehr, Leute wie früher Ende Mai à la "Komm, kauf dir en Ticket und spring spontan bei unserer RaR-Gruppe auf!" zu überreden. Da ist mit einfach in den Situationen, in denen diese Ideen aufkommen - abends in der Kneipe - schon zu kompliziert zu erklären, wer welches Ticket braucht. Und allein dieses Bild im Online-Shop schreckt natürlich spontan überlegende unschlüssige potenzielle Erstgäste massiv ab, die Angst kriegen, das falsche zu kaufen. Ich würd mir son Ticket auch nicht mehr wie früher von Verwandten zu Weihnachten oder Geburtstag schenken lassen, weil mir das Risiko zu hoch wär, dass ich dann nicht die selbe Kategorie krieg.
Das mag auf viele übertrieben wirken, aber: Bei mir selbst geht wirklich schon beim Ticketkauf mit diesen "Welcher meiner Bekannten wird wohl welches Camping haben...und welches Ticket brauch ich zusätzlich"-Gedanken die erste Euphorie gleich wieder den Bach runter. Die war früher mit "(All-in-One-)Ringticket gekauft - geil - bald gehts los" jedes Jahr riesig. Ich will an diesem Wochenende loslassen und nicht alle paar Meter überlegen, wo meine individuell gekauften Zutrittsrechte enden. Ich will beim Ticketkauf in Vorfreude schwelgen. Wenn ich en Produkt mit 200 individuellen Möglichkeiten abwägen will, geht ich zu Subway.
Aber selbst
wenn man meint, das machen zu müssen, dann
muss es auch funktionieren. Wenn ich teurere RnR-Tickets verkaufe
muss sichergestellt sein, dass die Vorteile genutzt werden können. Sonst sind der Ärger, die dadurch bleibende schlechte Erinnerung bei den Gästen, der Shitstorm und der langfristige Image-Schaden vorprogrammiert.
Wir hatten 2015 sogar RocknRoll-Camping, und das allein wegen den viel kürzeren Wegen vom Parkplatz zum Camp - Strom war für uns da kaum genutzter überflüssiger Luxus. Was war? Wir kamen nicht mal mehr Donnerstagsmittags (!) auf die RockNRoll-Parkplätze, für faktisch die allein wir pro Person 30 (?) Euro Aufpreis gezahlt hatten.. Sowas geht einfach 0 klar. Genau wie das Leute in bezahlten Aufpreis-Bereichen (oder auch im General!) trotz Ticket keinen Zeltplatz kriegen.
Ob ich den Festivalcharakter für kurzfristige Profite wirklich so massiv verändern will, wie ich es mit einer Campingdifferenzierung tue, ist die eine Frage. Aber in jedem Fall kann ich sowas nur einführen wenn es komplett durchdacht ist...und insbesondere wenn für Unwägbarkeiten die nötigen Überkapazitäten bereitstehen und nicht zulasten der der Aufpreiszahler auch noch gepokert wird. Wobei ich zur Ehrenrettung sagen muss, dass ich die Zeltplatzfindung 2017 am Nürburgring erheblich angenehmer fand als in Mendig.
Auch ein Punkt ist natürlich das extrem gewachsene Festivalangebot. Das schließt dann an das eben genannte an. Früher war der Gedankengang im Bekanntenkreis klar: "Festival mit großen Bands dieses Jahr? Ja? Ok, lass zum Ring fahren - X, Y, und Z wollen - natürlich - auch zum
Ring".
Heute eher: "Wirklich Ring oder doch Southside...wobei Rocco und Tauberthal ham auch schon starke LineUps". Und auch wenn man Ring favorisiert, greift kein "X, Y, Z wollen auch hin" weil man selbst wenn die auch den Ring gewählt haben immer noch nicht weiß, welche Campingkategorie sie haben.
Da ist einfach viel zu viel Gedenke und Geplane nötig, bevor man heute am Ring Freunde trifft. Dasses die vielen Festivals heute gibt freut mich und dafür kann auch MLK nix - aber der sehr harte letzte Schritt ist eben selbst eingebrockt.