Hi, ich bin Rhapsode
32 Jahre  (28.07.1990)
Mathematikhistoriker
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Kommentare von Rhapsode

Rhapsode

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Mambo schrieb:


rockamring2016 schrieb:


IvanTKlasnic schrieb:


Dommaeh schrieb:
Leider ist der Tagesschau-Artikel unglaublich verkürzt. In der SZ wird das System, das Casting sowie die Kommunikation - auch rund um das Thema Sex - sehr ausführlich beschrieben. Die von der Tagesschauu erwähnte Cynthia war sich dessen wohl bewusst, dass es eventuell darum geht, dass sie nach einer Show mit Lindemann aufs Zimmer geht. Sie wollte sich während des Konzertes Gedanken machen und anschließend entscheiden. Allerdings kam es dann schon vor dem Gig in Lindemanns Garderobe dazu.
Für den Gesamtkontext finde ich es wichtig, dass die genauen Abläufe geschildert werden. Denn so wirkt es etwas anders als im Tagesschau-Artikel, auch wenn es dabei bleibt, dass diese Cynthia wohl ziemlich überrumpelt wurde und sich dabei nicht wohl gefühlt hat. Sie war aber nicht unwissend, dass es auch um Sex geht.

Ich finde die Diskussion unglaublich schwierig, weil wir uns in einer Mischung aus Moral und Recht bewegen. Jede Seite muss man berücksichtigen, grundsätzlich abwägen und am Ende auch auf den Rechtsstaat vertrauen. Die aufgeheizte Diskussion bringt niemandem etwas. Das führt nur zu verhärteten Fronten und schadet am Ende dem gesamten Thema. Es ist gut, dass man öffentlich drüber diskutiert, aber bitte mit Augenmaß. Jede Seite muss gehört werden und jeder Seite sollte man glauben und dann muss ermittelt werden.
Was ich von Rammstein jedoch schwach finde, ist, dass Sie auf die Vorwürfe so schmal reagieren. Man hätte Empathie zeigen können und könnte Ermittlungsarbeiten unterstützen, um herauszufinden, ob wirklich irgendwelche Mittel in Drinks geschüttet werden etc.

Das System Rockstar-Groupie ist ja leider so alt wie die Rockmusik selbst (siehe auch Iggy Pop oder David Bowie, die minderjährige Groupies eingesperrt haben), aber gerade deswegen ist es wichtig, dass wir als Rock-Community darüber reflektieren und sinnvoll diskutieren, um eine Veränderung in Gang zu setzen.

Zitat


Eben, nur weil etwas rechtlich i.O. ist und/oder gängige Praxis, heißt es nicht, dass man das beibehalten sollte und das man es nicht kritisieren kann.

Zitat


Genau das war es, was ich im R+-Tour-Thread immer meinte, wenn ich gesagt habe, dass der Rechtsstaat und das Grundgesetz doch nicht mein moralischer Kompass sein müssen...
Wollten viele ja irgendwie nicht verstehen und sind komplett explodiert und haben sich angegriffen gefühlt

Zitat



Das hast du in dem Thread aber nicht so gesagt, sondern den Rechtsstaat als Gegenpol zur Zivilgesellschaft dargestellt ("Der Ruf nach dem Rechtsstaat ist irgendwo auch ein Ruf gegen die Zivilgesellschaft (...)") - das ist etwas anderes und deswegen hast du Gegenwind bekommen.

Zitat




Wie ich sowas hasse: Erst solche Parolen raushauen und dann hinterher so tun, als hätte man ganz was Anderes gesagt.

Davon abgesehen: Von welchen moralischen Vorstellungen jeder einzelne ausgeht und was dementsprechend für Konsequenzen gezogen werden bei welcher Art von Verhalten, das ist jedem selbst überlassen und kann gar nicht Gegenstand einer sinnvollen Debatte sein.

Worum es geht (und langsam habe ich das Gefühl, man redet hier teilweise gegen ne Wand), ist eine ganz andere Frage, nämlich der Unterschied zwischen Urteil und Vor-Urteil, also nicht die Frage, wie man Handlungen bewertet, sondern die Frage, wann bzw. auf welcher Grundlage man sie bewertet. Von mir aus kann man ja sich auf den Standpunkt stellen, diesbezüglich anderen Vorstellungen als unser Rechtssystem anzuhängen (falls das denn nun tatsächlich die Aussage auch mal wirklich war), aber dann muss man sich halt mit dem Gedanken anfreunden, in puncto Aufklärung und geistiger Reife nicht weiter als der Mob im Mittelalter gekommen zu sein.

Rhapsode

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Mir tut zur Zeit nur Amorphis vs Helloween weh. Hoffentlich tut sich da noch was. Solstafir wieder ein Wacken-typischer geiler Ausklang Freitag Nacht. Hätte aber eher gedacht, dass die mindestens auf der Louder spielen.

Übrigens: Falls jemand noch Karten verkaufen will: Ich hab Interesse.

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Um mal hier noch etwas beizusteuern, was in dem Video deutlich besser rauskommt als bislang:

Der Vorwurf, keine Ahnung aber viel Meinung zu haben, ist selbstverständlich beiden Seiten zu machen. Leute, die auf Social Media mit Beleidigungen und Unterstellungen auf das potenzielle Opfer reagieren, widern mich nicht um das geringste weniger an.

Mir ist es auch völlig egal, ob die Person Medikamente nimmt, sich vor oder während des Konzerts nachweislich so oder so verhalten hat, oder ihre Kommunikation der Geschehnisse angesichts dessen, was sie mitteilen wollte, suboptimal war. Das alles klärt die Angelegenheit nicht, wir wissen dadurch nicht mehr, abgesehen vom Ausmaß, wie schwierig die Geschichte tatsächlich zu beurteilen ist.

Von daher gilt selbstverständlich eine Unschuldsvermutung (diesmal für einen etwaigen Tatverdacht der falschen Beschuldigung) auch für sie. Und es ist auch kein Fehler von ihr, die Sache publik zu machen und anzuzeigen, denn erst das ist ja die Voraussetzung dafür, die Sache objektiv zu klären. Es ist auch nicht ihre Schuld, dass haufenweise Vollidioten mit dieser Information nicht umgehen können und sie dafür als Hure und Schlimmeres bezeichnen und auf der anderen Seite Lindemann als misogynes Drecksschwein abstempeln und Leute mit Rammstein-Shirts in öffentlichen Verkehrsmitteln anpöbeln und das auch noch stolz wie Oskar tweeten.

Und genau deswegen hat der Ruf nach dem Rechtsstaat nicht das geringste mit Victim Blaming oder Täterschutz zu tun, wie hier suggeriert wurde.

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Mambo schrieb:


Paju schrieb:
Ein bisschen Öl ins Feuer? Finde es erstaunlich, wie immer noch vom ach so tollem deutschen Rechtsstaat geredet wird, die sind ja total fehlerlos, immer schon gewesen…

Lina E. wurde soeben freigesetzt. Richtig? Imo ja, hat halt ein paar Leuten, die es verdienen, eins auf die Omme gegeben. 5,5 Jahre Knast?
Aber wenn jemand volltrunken Leute totfährt, gibt es ne Bewährungsstrafe.
Nur ein Beispiel….alles super in Deutschland.

Und dieses canceln….machen auch nur die Leute, die sich dagegen stellen. Solange keine Schuld bewiesen ist….warum nicht mal die Unschuld bewiesen? Geld, Drogen,, Starsein…ja, die mutmaßlichen Opfer wollen nur den Fame. Gaslighting und so. Charlie Sheen ist da ein Beispiel.



Zitat



Zitiert mir doch mal bitte den Beitrag, in dem jemand behauptet hat, der Rechtsstaat sei fehlerlos.


Zitat


Abgesehen davon, dass das ja auch ein Strohmann ist, ist es noch dazu vollkommen irrelevant. Es gibt kein fehlerloses System, wir sind hier nicht bei Minority Report (wo der Witz darin bestand, dass auch dieses fiktive System nicht fehlerlos war). Wir haben keine Alternative zum rechtsstaatlichen System und dessen Grundprinzipien.

Ich muss es auch nochmal deutlich betonen: Ich bin entsetzt darüber, wie leichtfertig hier genau das System, was den wohl größten zivilisatorischen Fortschritt jemals begründet hat, als Antagonist der Zivilgesellschaft in diesem Thread bezeichnet wurde.

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Es geht hier nicht darum, die potenziellen Opfer zu attackieren, sondern wenn überhaupt die, die sich ohne selbst irgendwelche Informationen zu haben,

- ein Urteil a priori fällen,
- dieses mit fragwürdigen moralischen Argumenten begründen (nach dem Motto "das darf einen doch bei so einem nicht wundern"), wie man sie in der Rechtssprechung vor 80 Jahren noch kannte,
- insofern auch anscheinend nicht verstanden haben, warum unsere rechtsstaatlichen Grundprinzipien inzwischen die sind, die wir nun mal haben,
- deswegen den Rechtsstaat als Gegenspieler zu den potenziellen Opfern darstellen bzw. diesen mit Täterschutz verwechseln (z.B. "Wie hier halt immer auf der Unschuldsvermutung bepocht wird…ohne auch nur ansatzweise die potenziellen Opfer zu verstehen."),
- normative Aussagen tätigen der Art, man (die Gesellschaft) solle prinzipiell erstmal den Opfern glauben (so als ob es Fälle wie Kachelmann etc. nicht gäbe),
- bis hin zur offenen Verachtung des Rechtsstaates ("Durch den sofortigen Ruf nach dem Rechtsstaat haben die (potenziellen) Opfer halt wirklich nichts gewonnen. Der Ruf nach dem Rechtsstaat ist irgendwo auch ein Ruf gegen die Zivilgesellschaft, die sich solidarisch an die Seite von (potentiellen) Opfern stellen sollte.")

Und nochmal zu Paju im Speziellen: Dass auch der Rechtsstaat nicht fehlerlos ist, ist eine Binse. Die Fehler, die gemacht werden, fliegen aber in der Regel bei der nächsthöheren Instanz um die Ohren, auch dafür ist vorgesorgt. Alles andere, was man gern als Fehler von Gerichtsurteilen in seiner umfassenden Allwissenheit deklariert, rührt in der Regel daher, dass man sich weder mit den Urteilsbegründungen noch mit den dahinterstehenden geltenden Rechtsprinzipien auseinandergesetzt hat. Ging mir selbst in der Vergangenheit bei einigen Fällen nicht anders, bis ich mir beispielsweise mal bei einigen Themen die vertiefenden Kolumnen von BGH-Richter a.D. und Strafrechtskommentator Thomas Fischer bei ZON bzw. SPON durchgelesen habe und mich gezwungen sah, meine sehr naiven Argumente und Überzeugungen über Bord zu werfen.

Was ich bei sehr vielen Leuten beobachte: Der Rechtsstaat ist immer nur so lange gut und korrekt, wie das von mir gewünschte Ergebnis, das einzig moralisch und gerecht ist, dabei herauskommt. Diese Einstellung ist zu reflektieren und zu hinterfragen. Ein bisschen mehr Sokrates täte uns allen gut.

Und dann noch dieses:

"warum nicht mal die Unschuld bewiesen?"

Weil es hier eine gewaltige Asymmetrie gibt: In aller Regel kann man nur beweisen, was ist, nicht das, was nicht ist. Wenn ich dich morgen anzeigen würde und behaupten würde, du hättest zu Zeitpunkt x (an dem du allein warst und somit kein Alibi hast) mir ein Messer an den Hals gehalten und 5.000 Euro von mir erpresst, dann wünsch ich dir viel Spaß dabei zu beweisen, dass du dies nicht getan hast. Aber nach deiner Logik fändest du das ja ganz gut, wenn mir erstmal pauschal jeder das glaubt.

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Paju schrieb:

Nur mega schlecht, wie die Onkels. Die dürfen ja auch wieder alles.

Zitat



Ich wusste gar nicht, dass Rammstein in der Vergangenheit Textzeilen nach dem Motto "Türken raus" produziert hätten, oder dass Till Lindemann im Drogenrausch jemandem zum Krüppel gefahren und sich darüber vor Gericht amüsiert hätte...

Vielleicht bei aller Erregung doch mal zwei Sekunden nachdenken, was man da miteinander gleichsetzt.

Was bestätigt werden kann, mag für manch einen befremdlich wirken (mir geht es da nicht anders), muss aber in der liberalen Gesellschaft ausgehalten werden, solange es auf gegenseitigem Einverständnis beruht. Was die Grenze überschreitet, insbesondere die Nummer mit den KO-Tropfen, ist nicht bestätigt, insbesondere nicht, ob wirklich solche Substanzen vor Ort im Umlauf waren. Und keiner hier kann es besser wissen.

Manche (nicht alle) Argumentationsfiguren, die ich hier lesen durfte, machen mich aber echt sprachlos. Vielleicht missinterpretiere ich das ja gehörig, aber man bekommt teils den Eindruck, Lindemann könne gar nichts Anderes als ein frauenverachtendes und -missbrauchendes Schwein sein, ansonsten könne man ja gar nicht solche Texte verfassen und überhaupt an solchen Eskapaden teilnehmen. Willkommen im Jakobinertum.

Ich bin in solchen Momenten froh darüber, dass wir in rechtsstaatlichen Demokratien leben, wo es so etwas wie eine Unschuldsvermutung überhaupt gibt, selbst wenn es häufig verführerisch ist, diese zu ignorieren oder zumindest hinter anderen Aspekten zurück treten zu lassen. Wer sich gern mal damit beschäftigen will, wie eine Rechtssprechung aussieht, wenn nicht mehr objektive, nachweisbare, Tatsachen entscheiden, sondern Moralbewusstsein und gesellschaftliche Anerkennung der jeweiligen Leute, der kann sich mal vertieft damit auseinandersetzen, wie Urteile im 3. Reich begründet wurden.

Sollte sich aber irgendwas Richtung KO-Tropfen und Sexualstraftaten gerichtlich bestätigen, verbrenn ich alles, was ich von der Band besitze.

Mehr äußere ich zu dem Thema nicht.

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Mambo schrieb:

Guter Punkt.
Ich seh das insofern anders, dass es mir nicht darum geht, vor Kritik zu "immunisieren".
Was ich fordere sind einfach nur die gleichen Maßstäbe für alle.

Zitat



Das würde aber konsequent zu Ende gedacht eben genau zu dieser Immunisierung führen. Denn die Anwendung der gleichen Maßstäbe könnte ja dann nichts Anderes heißen als zu sagen: Die Grünen dürfen sich noch - keine Ahnung - zehn schwere Korruptionsskandale ohne personelle Konsequenzen erlauben, bis sie die Union eingeholt haben. Denn die einzig andere Möglichkeit wäre ja, jetzt rückblickend die Korruptionsskandale der Union nochmal aufzuwärmen und daraus irgendwelche Forderungen abzuleiten. Bringt aber nichts, weil
a) nicht tagesaktuell (so funktionieren die Medien halt nicht)
b) ohnehin wirkungslos, da die Union ja inzwischen bereits in der Opposition sitzt.

(Im Übrigen, nur ganz am Rande, bin ich auch überhaupt nicht der Ansicht, dass die Verfehlungen der Union in der Presse nicht hinreichend dargestellt und kommentiert worden sind; stattdessen liegt der Unterschied vor allem in dem Punkt, dass diese solche Berichterstattung einfach dreist aussitzt.)

Ich glaube ein Punkt, der hier regelmäßig übersehen wird, ist doch gerade der, dass man von der Union ja ohnehin nichts Anderes erwartet und deren Wähler dies auch nie wirklich abstrafen. Die Grünen und ihre Wähler vertreten aber ein Selbstbild größerer Integrität und deswegen müssen gerade die sich daran auch messen lassen, wenn man dem nicht gerecht wird.
Was man machen kann: Jetzt vernünftig und sauber die Sache auf- und abarbeiten, vielleicht mal ein paar gute Reformen zur Korruptionsbekämpfung voran bringen (denn da hat Deutschland noch ne Menge Hausaufgaben zu erledigen) und mit gutem Beispiel voran gehen. Dann und erst dann hat man, wenn die Union mal wieder dran ist, und sich den nächsten Patzer erlaubt, die Argumente auf seiner Seite und kann mit vollem Recht und Verweis auf gleiche Maßstäbe Rücktrittsforderungen stellen.
Die Sache ist: Wir können nicht die Vergangenheit als Referenz nehmen, es muss halt endlich mal jemand damit anfangen, es wirklich besser zu machen.

Ich möchte gerne den Versuch unternehmen, und so habe ich es damals auch in der HoPo gemacht, die Themen Korruption, Vorteilnahme und Transparenz völlig von parteipolitischen Brillen und Spielchen zu entkoppeln und diese so als eigenständige herauszuarbeiten, dass ihre Bedeutung von allen erkannt wird und auch auf allgemeinverbindliche Spielregeln gemeinsam hingearbeitet wird, was mir damals in einigen zentralen Punkten auch gelungen ist, trotz langwieriger und erschöpfender Diskussionen über einzelne Details. Die nötigen Anstöße konnte ich aber nicht zuletzt deswegen geben, weil ich mit Kritik von Verfehlungen sowohl beim politischen Gegner als auch bei den Verbündeten oder gar der eigenen Gruppe nie gespart habe (man kann sich vorstellen, dass ich mich parteiübergreifend nicht gerade damit beliebt gemacht habe, dafür aber glaubwürdig). Und das vermisse ich hier eben zum Teil, wo es mir scheint, dass die Bedeutung des Themas weniger im Vordergrund steht als die Profilierung der Parteien mithilfe dieses Themas, wo immer mit dem Finger auf die anderen gezeigt wird.

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Ich bleibe dabei, dass ich das gänzlich anders beurteile. Man muss solche Argumente - finde ich - auch weiter denken und sich mit der Frage auseinandersetzen, wo man dann die Grenze ziehen will. Der Maßstab kann jedenfalls nicht sein, ob es gerade um was geht, was man inhaltlich auch richtig findet, denn dann wird es beliebig. Genau deswegen gibt es diese Compliance-Regeln, über die Graichen natürlich bestens informiert war. Und dass diese nicht nur einmal, sondern mehrfach gebogen bzw. gebrochen wurden, deutet für mich darauf hin, dass man es mit diesen eben nicht so genau nimmt. Das wusste auch Habeck, weswegen er jetzt auch nicht mehr anders konnte, um die eigene Glaubwürdigkeit nicht komplett zu verspielen.

Die Lösung lautet dann auch nicht zu sagen "wird ja eh nicht von der Person allein bestimmt, also ist doch alles in Ordnung". Man hat sich in solchen Fällen aufgrund der Befangenheit komplett aus dem Entscheidungsprozess rauszuziehen. Das wurde im Fall Schäfer zu dritt abgestimmt, das ist kein großes Gremium gewesen und es wird mit Sicherheit auch nicht so gelaufen sein, dass jeder der Entscheidungsträger im stillen Kämmerlein für sich entschieden hat, sondern da wird intern miteinander darüber gesprochen worden sein und entsprechend auch beeinflusst (ob bewusst oder unbewusst, ist egal).

Man kann natürlich das Regelwerk ändern (was ich nicht befürworte), aber nicht ein bestehendes umgehen und mich hinterher damit rausreden wollen, dass es ja eh unpraktisch ist.

Und ich seh es auch überhaupt nicht so, dass eine Trauzeugenschaft viel zu wenig Relevanz hätte. Es gibt genug Leute, die mit ihren Trauzeugen mehr und besseren Umgang pflegen, als mit den eigenen Eltern oder Geschwistern. Deswegen werden die ja auch dafür ausgesucht.

€: Außerdem bin ich der Meinung, dass dieses "Man kennt sich und weiß sich daher einzuschätzen" Tür und Angel öffnet für einen Teufelskreis selbstreferenzieller Bestätigung bzw. für die Etablierung von Scheuklappen.

€€: Und dass auch hier auf die "Schmutzkampagne" der Konservativen und ihrer Verkündigungsblätter (manche Zeitungen sind ja tatsächlich nicht mehr als das) so energisch verwiesen wird, ist zwar einerseits verständlich und auch von der Sache her nicht falsch. Dies aber vordergründig zu thematisieren, ist für mich irgendwie auch ne billige Methode, sich vor Kritik immunisieren zu wollen. Mir z.B. ist durchaus klar, dass das von Heuchlern aus der Union genüsslich ausgeschlachtet wird, die diesbezüglich eigentlich gar keine Aufregrechte haben. Das macht die Sache dadurch aber auch nicht besser oder harmloser in meinen Augen.

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Und jetzt nochmal zum aktuelleren Thema:


Jemanden vorzuwerfen hypokritisch zu sein ist eines der schlechtesten Argumente, die man bringen kann.

Zitat



Das hängt (wie so Vieles) mal wieder davon ab. In diesem Fall davon, ob die kritisierte Person tatsächlich, wie Du suggerierst, rein sachlich und rational argumentiert, oder ob sie eine Sachinformation dazu nutzt, sie in einen attackierenden und moralisierenden Kontext zu setzen. Denn dann darf man selbstverständlich darauf hinweisen, wenn die Person selbst diesbezüglich kein Heiliger ist.

Ich weiß nicht, über welche Kanäle ihr politische Diskussionen verfolgt, aber die verlaufen - zumindest online und im Schutz der Anonymität - in der Regel nicht wie beispielsweise hier. Hier wurde ja auch darüber diskutiert, ob es diesen Pauschalangriff gegen Generation X (Boomer) so überhaupt in relevanter Größenordnung gibt. Auf Social Media ist das sowieso der Fall (aber die sollte man ja eh für Diskussionen meiden), Selbiges gilt aber auch für Zeitungsforen, wobei die Zeitungen so etwas gern auch durch entsprechende provokante Thesen triggern. Das können nämlich nicht nur die Springer-Medien, die machen es lediglich bei anderen Themen.

Wenn man viel in so einem Umfeld gelesen und diskutiert hat, hat man hierzu ne andere Wahrnehmung.

Das ändert nichts daran, dass die hier geäußerte Grundthese, die Generationen mal komplett aus der Debatte zu nehmen, weil es sachlich nichts beiträgt, vollkommen richtig ist. Das gilt nicht zuletzt deswegen, weil - wie ebenso richtig gesagt wurde - ja keine Einheitlichkeit innerhalb der Generationen herrscht. Ich möchte daran erinnern, dass Gen Z bei der letzten Bundestags überdurchschnittlich oft Grün, aber eben auch Gelb gewählt hat. Also ist das ja eh alles Blödsinn, man sollte sich wieder auf die Sache konzentrieren.

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Ich seh die Causa Graichen etwas anders als die bisherige Mehrheit hier, bin aber für das Thema Korruption und Transparenz äußerst sensibilisiert. Durch meine Arbeit in der Uni-Politik, wo Postengeschachere und Vorteilnahme Gang und Gäbe waren und durch die Beteiligung an mehreren Berufungskommissionen - wo man bisweilen schon als befangen galt und von dem Gremium ausschied, wenn es lediglich eine gemeinsame Publikation mit einem der Bewerber innerhalb der letzten 10 Jahre gab.

Mir wird da eher aus dem linken/grünen Lager ein wenig zu sehr bagatellisiert. Es ist ja in der Regel nicht gerade so, als ob man seinen Postboten mal eben um die Trauzeugenschafft bittet. Und dass er das wirklich "vergessen" hat, das Ganze also nur ein ärgerlicher Irrtum war, wer soll sowas ernsthaft glauben. Genauso wie die Tatsache, dass man den Verein der eigenen Schwester "aus Versehen" mit 600k Euro fördert.

Und Habeck - gegen den ich im Allgemeinen gar nichts habe - hat auch keine gute Figur gemacht. Er hätte einfach direkt sagen sollen, der Verbleib von Graichen wird vom Ergebnis der Prüfung abhängig gemacht. Jetzt steht er natürlich wie ein Dulli da, weil er meinte das Ergebnis vorwegnehmen zu können.

Und dass die Union viel mehr und heftigere solcher Skandale zu verantworten hat: Geschenkt. Hilft aber überhaupt nicht weiter, wenn es einem als Wähler um das Thema Transparenz, Compliance und Antikorruption geht. Wem soll man denn das Thema jetzt noch glaubwürdig anvertrauen können?

Mal davon abgesehen bin ich überhaupt nicht der Ansicht, dass die Methodiken von Graichen so zielführend und alternativlos für den Klimaschutz sind, wie sie gern dargestellt werden. Ich hab hier vor ein paar Posts bereits auf andere Argumente hingewiesen.

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IvanTKlasnic schrieb:
Und der Gewinner ist Stiflers_Mom mit Yuve Yuve Yu von The Hu

Nachdem es bis Sonntag Abend zwischen Platz 1 und Platz 5 gerade einmal 14 Punkte unterschied gab, sind nun gegen Ende durchaus noch einige Lücken aufgeklafft. Sowohl der Erste als auch der zweite Platz haben einen gewaltigen Entspurt hingelegt und befanden sich nach 60% der Stimmen noch auf Platz 3 bzw. 5.

1. The Hu – Yuve Yuve Yu (Stiflers_Mom) - 110 Punkte
2. Babymetal - Gimme Chocolate! (HybridSun95) - 85 Punkte
3. Eros Ramazzotti – Cosas De La Vida (juli666) - 77 Punkte
4. Alien Weaponry – Kai Tangata (Orim) - 68 Punkte
5. Heidevolk – Nehalennia (mattkru) - 60 Punkte
6. Skrillex – XENA (tschenneck) - 50 Punkte
7. Dino Brandao – Derfi di hebe (Nickel777 - 43 Punkte
8. Blackpink – Boombayah (JestersTear) - 37 Punkte
8. Die Antwoord – Doos Dronk (jonnycash666) - 37 Punkte
10. Plastic Bertrand – Ca Plane Pour Moi (mondi) - 36 Punkte
10. Auðn - Næðir um (erdeanmich) - 36 Punkte
12. Alf – Kunde Vart Jag (Marc1904) - 31 Punkte
13. Young Fathers – Ululation (NoMoreSun) - 30 Punkte
14. Bad Bunny – Dakiti (gartenrocker94) - 27 Punkte
15. Infected Mushroom – Zazim Beyhad (Roggan29) - 24 Punkte
16. Molchat Doma – Discoteque (Larsisomfire) - 18 Punkte
17. Jerry Heil - #MOSKAL_NEKRASIVYI (SimBa123) - 15 Punkte
18. Orhan Gencebay – Dön (BNPRT) - 13 Punkte


Auch sehr interessant ist, dass es sowohl nach Median als auch nach Durchschnittlicher Wertung (also Durchschnitt ohne 0 Punkte) einen anderen Sieger geben würde.

Top 3 nach durchschnittlicher Wertung:

1. Young Fathers - Ululation (10)
2. Babymetal - Gimme Chocolate! (8,5)
3. The Hu - Yuve Yuve Yu (7,9)

Top 3 nach Median:

1. Babymetal - Gimme Chocolate! (8)
2. The Hu - Yuve Yuve Yu (7,5)
3. Heidevolk - Nehalennia (6)

weitere Fun Facts:
- Yuve Yuve Yu ist der einzige Song, der immer mindestens einen Punkt bekommen hat.
- Gimme Chocolate! hat die Meisten 12 Punkte Wertungen mit 4 Stück. Darauf folgt Yuve Yuve Yu mit 3 und Kai Tangata, Cosas De La Vida und Ululation mit jeweils 2 Stück.
- Nehalennia ist der bestplatzierte Song ohne 12 Punkte Wertung.
- Die wenigsten Wertungen mit Punkten haben Ululation und #MOSKAL_NEKRASIVYI mit jeweils 3 Stück.
- die meisten 10 Punkte Wertungen haben Næðir um und Nehalennia mit jeweils 3 Stück.

Danke allen fürs Teilnehmen und das Teilhabenlassen an neuer Musik.
Die nächste Runde richtet Stiflers_Mom aus

Zitat


Der gute Platz für Heidevolk freut mich genau so sehr, wie er mich überrascht. Höre die regelmäßig sehr gerne. Mich motiviert das, vielleicht auch mal wieder mit zu machen.

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snookdog schrieb:
Es musste etwas passieren, weil bei reinem Public Voting gerade in Osteuropa die Punkte grundsätzlich aus alter Verbundenheit ans Nachbarland gingen (oder nach Russland). Das war damals nochmal deutlich unbefriedigender als heute.

Zitat



Das haben ja nun "zum Glück" die Jurys zumindest mancher Länder übernommen. Das kann man auch nicht ernsthaft leugnen, wenn man sich nochmal genau ansieht, welche Länder von welcher Länder Jurys hochgevotet werden.

Wirklich objektiv bewertet doch kaum einer. Zuschauer sowieso nicht, weil es da einfach um persönlichen Geschmack geht, und auch die Jurys nicht, wie man an der Gewinnerin dieses Jahr sehen kann (die sich einfach selbst kopiert und auch ansonsten keine wirklich herausragende Leistung gebracht hat).

Also bin ich da mittlerweile der Meinung: Scheiß auf Scheinobjektivität und lass einfach danach gehen, was gut ankommt.

€: Was mich höchstens noch freut, ist die relativ gute Platzierung von Australien. Ich glaube, das hat es mir dann doch am meisten angetan.

Und im Übrigen geht es auch nicht darum, ob man jetzt mit dem eigenen Song gewinnt. Aber bei der Konkurrenz gestern Abend braucht man wirklich nicht davon sprechen, dass von good old Germany tatsächlich schon wieder der schlechteste Beitrag gekommen sein soll. Unteres Mittelfeld hätte schon drin sein können, wenn man mal ganz ehrlich ist.

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Paju schrieb:
Lord of the Lost

Der Name spricht Bände. Seitdem Raab raus ist, habe ich mich schon gar nicht mehr mit irgendwelchen Vorentscheidungen befasst, aber das war schon schwer ertragbar, sorry. Lordi in der Ausbildung, oder was soll das gewesen sein?
So ne Mucke kann doch bei so einem Format nur verlieren.

Zitat


Ich verstehe nicht, wie man ernsthaft darauf kommen kann, den Musikstil von Lordi und Lotl gleichzusetzen.

Rhapsode

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MinistryOfDeath schrieb:

Nichtsdestotrotz werden Union und FDP nach wie vor die größten Wirtschaftskompetenzen von den Wählern zugeschrieben. Hier mangelt es schlicht und ergreifend an politischer Aufklärung.

Zitat



Sorry für die späte Antwort: Ich sehe auch überhaupt nicht, woher solche Aufklärung strukturell kommen soll. Es gibt diese ja häufig nichtmal aus der Fachwissenschaft, was nicht verwundern kann angesichts der Tatsache, dass über 90% der VWL-Lehrstühle (zumindest war das vor einigen Jahren noch die Zahl, die ich erinnere) von Neoklassikern besetzt wird. Es ist ein sich selbst stabilisierendes System, was wenig damit zu tun hat, dass die Theorie wissenschaftlich so unangreifbar wäre*, sondern damit, dass inzwischen Fachpublikationen in renommierten Zeitschriften und damit verbunden auch die Chance auf Berufung hauptsächlich davon abhängt, ob man grundsätzlich sich innerhalb dieser Theorie bewegt oder nicht.

Ich war mal hier auf einer Podiumsdiskussion mit Flassbeck und einem VWL-Prof unserer Uni, wo ersterer genau diese Punkte aus dem Artikel klar herausgearbeitet hat. Letzterer hat auf diese Punkte inhaltlich nicht reagiert, sondern einfach eigene Standpunkte (die darauf überhaupt nicht Bezug nahmen) runtergebetet. Bei anderen Diskussionen mit Flassbeck, die ich damals auf YT gefunden hatte, war genauso diskutiert wurden. Die Punkte werden einfach totgeschwiegen, wenn man sie inhaltlich nicht widerlegen kann und sie nicht zur eigenen Theorie passen. Ich habe aus dem Publikum deswegen explizit gefordert, sich auf die Aussagen zu beziehen und zu begründen, was an den Schlussfolgerungen aus seiner Sicht verkehrt ist. Außer einem ad hominem ("Der Flassbeck mag halt Schulden so gerne") kam: nichts. Ich war entsetzt darüber, dass so etwas wissenschaftlicher Anspruch zu sein scheint.

Ein andernmal war ich auf einer Fishbowl-Diskussion an unserer Uni zum Thema "Wirtschaft als Schulfach" mit Politikern und einem Prof aus dem Wiwi Bereich unserer Uni (glaube es war Gründungsdidaktik). Ich habe die Gelegenheit genutzt und offen argumentiert, dass ich mich nicht dafür erwärmen kann, eine Sozialwissenschaft zu einem Unterrichtsfach zu machen, wo bereits die Fachwissenschaft dermaßen durchideologisiert ist mit hegemonieller Herausstellung (im Groben) einer Theorie, auf dass diese dann auch in die Schule getragen und in die Köpfe junger Menschen eingetrichtert wird. Nach der Veranstaltung kam der Prof zu mir, hat mir gedankt und gesagt, dass er das vollumfänglich unterschreiben könne.

*Tatsächlich und bedenklicherweise ist die Neoklassik bereits auf fundamentaler logischer Ebene leicht angreifbar: Sie hat sich zwar zum Ziel gesetzt, vermehrt mathematische Modellierung und Deduktion auf mathematischer Ebene zum Beweis der eigenen Schlussfolgerungen einzusetzen, scheitert aber regelmäßig daran, nachzuweisen, ob die aus mathematischer Sicht notwendigen Modellannahmen im jeweiligen Anwendungsfall überhaupt erfüllt sind. Beizeiten ist das Gegenteil plausibel. Hier ein Artikel aus den frühen 2000ern, der das aus mathematischer Sicht kommentiert, ebenfalls sehr erhellend:
https://www.math.uni-hamburg.de/home/ortlieb/Exit1CPOMarktMaerchen.pdf

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Ich habe hier übrigens aus demselben Hause noch einen ganz schönen Aufsatz zum Thema (Staats-)Schulden und Fiskalregeln in der EU, der die ganze Dummheit von Lindner und Konsorten bei dieser Thematik klar auf den Punkt bringt, und auch ganz wichtige Zusammenhänge anspricht, die man leider in keiner Zeitung hierzulande zu lesen bekommt, weil es gewisse fest eingefahrene Narrative empfindlich stört (es geht auch darum, wie sehr Deutschland die Stabilität der EU durch seine Wirtschaftspolitik gefährdet).

Kommt komplett ohne große Diskussion über wirtschaftliche Theorien aus, sondern mit reiner Logik. Ist somit auch für Laien sehr zugänglich. Empfehle ich dringend.

https://www.relevante-oekonomik.com/2023/02/17/reform-der-europaeischen-fiskalregeln-der-deutsche-finanzminister-setzt-auf-blockade/

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Hier wurde ja vor einiger Zeit über das Verbot von Öl- und Gasheizungen diskutiert, das ja seitdem noch aktueller geworden ist. Ich habe versucht, mir rational zu überlegen, was genau mich eigentlich daran stört und übrigens auch an den Forderungen der LG und anderen. Jetzt bin ich gerade auf einen schönen Artikel von Heiner Flassbeck (ein von mir sehr geschätzter Ökonom) gestoßen, der meine Gedanken dazu - und auch die von anderen Foristen hier - auf den Punkt bringt und durch konkrete Forderungen ausdrückt. Vielleicht interessiert es den ein oder anderen ja:

www.relevante-oekonomik.com

Auszüge (Hervorhebungen von mir):
"Es hat so kommen müssen. Weil deutsche und europäische Politiker sich beharrlich weigern, auch nur eine Sekunde nachzudenken, bevor sie agieren, marschiert man in Sachen Klima nun mit lautem Trompeten ins Nirgendwo. Verbrennerverbot im Jahr 2035, Öl- und Gasheizungsverbot schon 2024, Privatjetverbot am besten übermorgen. Die Liste ließe sich beliebig verlängern, und bei jeder Einzelmaßnahme wird der gesamte Politikbetrieb für Monate nahezu lahmgelegt. Auf der einen Seite bringen sich die Lobbys in Stellung, um das aus ihrer Sicht Schlimmste zu verhindern, während die „letzten Generationen“ die Halbherzigkeit beklagen, mit der die Politik immer wieder einmal ein kleines Problem löst, den großen Wandel aber scheut.

So wird das jetzt noch einige Jahrzehnte weitergehen. Weil es keine globale Strategie gibt, gibt es auf nationaler Ebene nur staatliches Gewurstel in den wenigen reichen Ländern, die immerhin ein schlechtes Gewissen haben. Das Problem wird auf diesem Wege zwar niemals gelöst, aber die Lösungsversuche, so viel ist sicher, werden immer skurriler werden und das gesellschaftliche Klima wird auf Dauer massiv vergiftet. Das Schlimmste dabei ist: Weil das Gewurstel das globale Problem nicht löst, aber in den betroffenen Ländern großen wirtschaftlichen Schaden anrichtet, werden früher oder später Regierungen gewählt, die das Klimaproblem weitgehend ignorieren oder, wie dereinst Donald Trump, glatt bestreiten.

[...]

Einige Male sind die Preise schockartig nach oben geschnellt wie zuletzt im vergangenen Jahr, doch danach sind alle froh, wenn sich der Preis wieder normalisiert. Seit Beginn der siebziger Jahre ist selbst in Europa und Deutschland, wo man ja stolz auf die eigenen Anstrengungen in Sachen Kilmaschutz ist, der reale Preis für Öl, also das, was wir an Arbeitszeit aufwenden, um einen Liter Öl zu kaufen, nicht gestiegen. Verglichen mit dem Beginn der sechziger Jahre ist er, wie Friederike Spiecker und ich im jüngsten Atlas der Weltwirtschaft gezeigt haben, deutlich gesunken.

Solange sich daran nichts ändert, sind alle Versuche auf nationaler und sogar europäischer Ebene, mit Steuern, Subventionen oder Vorboten den Konsum fossiler Energieträger hie und da einzuschränken, vollkommen sinnlos. Jeder Einsparversuch in Deutschland und Europa wird mit hundertprozentiger Sicherheit zu einem Mehrverbrauch im Rest der Welt führen, wenn das gesamte globale Angebot an fossilen Energieträgern nicht reduziert wird. Was aus der Erde gefördert wird, wird auch verbraucht.

[...]

Das Pariser Klimaabkommen und alle weiteren Versuche waren von vorneherein zum Scheitern verurteilt, weil die Produzenten niemals eingebunden waren. Die großen Verbraucher bildeten sich ein, sie könnten mit nationalen Absichtserklärungen (nichts anderes sind diese Abkommen auf der nationalen Ebene) die Regierungen auf der ganzen Welt dazu bewegen, Verhaltensänderungen durchzusetzen, obwohl die fossilen Energieträger ohne Restriktion gefördert werden und deswegen weiterhin lächerlich billig sind.

[...]

In Entwicklungsländern, wo viele Menschen täglich ums blanke Überleben kämpfen, haben globale Ziele einen ungleich geringeren Stellenwert als in reicheren Gesellschaften. Selbst Deutschland hat es trotz der vielgelobten Energiewende, in die unheimlich viel öffentliches und privates Geld geflossen ist, in den vergangenen zwanzig Jahren nicht geschafft, seine CO2-Emmissionen deutlich herunterzufahren. Wie soll man einem Entwicklungsland, das bei weitem nicht so viel öffentliches und privates Geld mobilisieren kann, erklären, dass es einen ähnlichen Weg gehen soll, ohne garantieren zu können, dass das in dem Land selbst und vor allem weltweit irgendeinen zu Buche schlagenden Effekt hat?

Die Schlussfolgerung aus diesen Überlegungen ist einfach: Die bisherigen internationalen Vereinbarungen waren weniger als ein Schritt in die richtige Richtung. Offenkundig war das Abkommen von Paris ein völliger Fehlschlag. Nur wenn man sich das eingesteht, kann es gelingen, ganz andere internationale Vereinbarungen zu treffen, bei denen die Produzenten fossiler Energieträger von Anfang an mit an Bord sind und eine kontinuierliche Reduktion der Förderung festgeschrieben wird. Nur ein solches globales Abkommen kann den Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich alle erfolgreich anpassen können."


Hier auch nochmal inhaltlich im Interview. Da nur ein kleiner Teil des Gesprächs, ab min 38:44, der Rest ist aber auch interessant für Leute, die sich insbesondere für das Thema Inflation interessieren:

Locustgefällt das
Rhapsode

Rhapsode hat kommentiert

01.03.2023 12:12 Uhr·  Bearbeitet·

Das Argument "bringt eh nichts, wenn nur wir das machen" ist halt wieder Rationalitätsfalle. Weil jeder so denkt, kommt es weltweit zum denkbar schlechtesten Ergebnis und das ist der Klimagau. Es gibt aber Möglichkeiten, da raus zu kommen. Letztendlich werden die sauberen Lösungen langfristig - unabhängig von den Folgen für die Umweld - ökonomisch sinnvoller, da günstiger sein. Das wird auch die Big Player überzeugen. Dafür braucht es einen Doppelwumms in Forschung, Entwicklung und Bau. Und es braucht ne intelligente weltweit koordinierte Politik (die EU ist hier der erste Ansatz, wo das klappt und dann müssen die anderen Big Player ins Boot geholt werden), um entsprechende Anreize zu setzen, notfalls auch mit Sanktionen.

Bei den Grünen stört mich der Verbotsansatz. Folgen, Sinnhaftigkeit (in puncto alternative Betriebsmöglichkeiten; eigentlich müsste man, wenn schon, die Stoffe verbieten, nicht die zugehörige Infrastruktur) und vor allem die Umsetzbarkeit werden da ausgeblendet. Sieht man auch gut an der Ablehnung der Kernfusion, weil "dauert zu lange". Ja ach ne, das überrascht mich ja, dass eine Methode zur Energiegewinnung mit einem immens hohen Wirkungsgrad bei gleichzeitiger minimaler Umweltbelastung nicht innerhalb von einigen Jahrzehnten entwickelt ist, auch wenn man in der Forschung immer mehr gute Fortschritte macht.

JestersTeargefällt das
Rhapsode

Rhapsode hat kommentiert

28.02.2023 12:30 Uhr

Alles klar, drei Leute sind dann einfach nicht annähernd ausreichend. Ich versuche hier dann in ein paar Monaten, die Weihnachtskneipentour wieder voranzubringen. Termin ist Samstag der 02.12.23 in Köln. Könnt ihr euch schon mal eintragen.

Rhapsode

Rhapsode hat kommentiert

26.02.2023 13:40 Uhr·  Bearbeitet·


Locust schrieb:


JestersTear schrieb:


Locust schrieb:
Das klingt schon stark nach dem Linkin Park Way wenn auch auf nicht so hohem Niveau.

LP hatte nach 5-6 Jahren auch nicht mehr viel mit der Band zu tun die sie mal waren und verfielen komplett dem Mainstream. Der Head status bei Rockfestivals war aber stets unstrittig

Zitat


Mit dem Unterschied, dass Linkin Park zumindest im Mainstream immer präsent waren und eine Rolle gespielt haben und mMn auch live sehr gut waren. Das seh ich bei Volbeat zumindest nicht

Zitat


LP war deutlich größer keine Frage.
Den Mainstream bekomme ich kaum mit weil ich kein Radio höhre.
Vom Grunde war es ähnlich nur wie gesagt auf ganz anderen Niveau. LP war die Band zwischen 01-05 etwa und mit Minutes to Midnight gings steil berg ab . Der Auftritt 2007 hat uns dann komplett von LP entfremdet und danach spielten sie keine rolle mehr. als sie 12 kamen hat das bei uns keinen gejuckt und wir haben sie auch nicht angeschaut.

Zitat


Das ist aber bitter, denn der 12er Auftritt war saugut (kein Wunder, wenn die zu 2/3 nur die ersten beiden Alben spielen).

Volbeat fand ich übrigens schon immer scheiße.

€: Aber zum Thema: Ich glaube inzwischen ist der Zug abgefahren. Selbst wenn jetzt noch was bestätigt wird: Die Kalender der Leute sind doch schon voll, Urlaube verplant, Konzert- und Festivaltickets gekauft.

Kaangefällt das
Rhapsode

Rhapsode hat kommentiert

21.02.2023 23:21 Uhr


Mambo schrieb:


stonedhammer schrieb:


Runnerdo schrieb:


Yertle-the-Turtle schrieb:


Madpad77 schrieb:
Glaube soviel falsche Tipps für Headliner , egal auf welchem Festival gabs hier noch nie ?!
Nicht als Beleidigung verstehen , is echt Crazy dies Jahr ..?!

Zitat


Es ist dieses Jahr aber auch fies, weil Bekanntgaben (z.B. Download + GnR) zeitlich oft kollidiert haben. Auch bei RHCP/Metallica + RIP/RAR.

Im Endeffekt unterschätzen wir alle aber weiterhin, wie geldgeil in Deutschland Bands und Veranstalter auf Solo Gigs mit 100 Preiskategorien und Platinum/Diamant/Kryptonit/Nebukadnezar Bullshit-Tickets sind.

Für den deutschen Festivalmarkt ist das ein Trauerspiel. Es spielen also fast nur noch Bands Festivals, die selbst ein Stadion nicht vollbekommen. Das ist das Learning 2022/2023.

Zitat


Wahre und traurige Worte.
Ist man als Käufer aber selbst Mitschuld.

Zitat


warum ist man es als käufer mit schuld? sollen fans dann nicht hingehen, wenn es seltende bis kaum gigs dazu gibt? vorallem ist ja auch immer noch die frage, ob der käufer von soloshows überhaupt auch auf ein festival gehen würde (wir sind hier halt eine festivalcommunity, aber am ende dennoch der kleinste nenner in der berechnung)

für mich sind es veranstalter (wie damals mlk (selber) mit schuld), die die preise von soloshows so profitorientiert in die höhe getrieben haben, dass sie anschließend so bandgrößen dann nicht mal mehr fürs eigene festivals gescheit finanzieren konnten (bzw. sie halt es budget sprengen würden). aber es kann solch firmen am ende dann auch egal sein, wenn die kohle stimmt, der fans muss nur ordentlich in die tasche greifen und dazu mittlerweile noch durchs ganze land reisen, wenn er sie unbedingt sehen möchte.

edit: ist natürlich nur ein teil der headliner problematik, gibt genug festivals die es ja dennoch schaffen, weil dahinter oft mehr steckt als nur der wirtschaftliche faktor! (was man nicht unbedingt vom ring oder auch jedem anderen versuchsableger a la download (de), rock im pott und so nicht gerade sagen kann)

Zitat


Würde schon sagen, dass die "Fanmasse" sich das Ei im Grunde selbst ins Netz legt. Preise jenseits der 100, mittlerweile 150€, Dynamic-Pricing- und FoS-Tickets gäbe es halt eben ganz schnell nicht mehr, wenn die Fans etwas vorausschauender agieren und das einfach nicht mitmachen würden. Dazu müsste man aber bereit sein, aus Prinzip auch auf eine seltene Chance zu verzichten, klar. Aber das würde natürlich auch hier große Bands eher zu den Festivals bringen.

Was Download angeht, bin ich einigermaßen schockiert, dass es wohl nicht GnR wird. Wie man jetzt noch mit SoAD, Volbeat oä den Hockenheimring füllen will, ist mir echt schleierhaft.

Zitat


Ganz spannende Diskussion. Grundsätzlich klingt das plausibel, was du (und andere) schreibst.

Ich will dazu mal eine andere Perspektive beisteuern, nämlich eine mathematische (Stoni wird sich jetzt wieder kaputt lachen):

Mich erinnert das in groben Zügen (bitte nicht zu sehr an den Details aufhängen, ist nur ne Gedankenspielerei) an das sogenannte Gefangenendilemma aus der Spieltheorie. Für Details gibt es nen schönen Wiki-Eintrag. Dabei ist die Voraussetzung, dass zwei Personen die Möglichkeit haben, miteinander zu kooperieren (hier: Die teuren Konzerte boykottieren) und dadurch das für beide zusammengerechnet beste Ergebnis zu erzielen (hier: künftige Konzertauswahl zu normalen Preisen und Konditionen), oder dass beide nicht kooperieren, was ein (wieder kumuliertes, nicht jedoch individuelles) Worst Case zur Folge hätte (Stark überzogene Ticketpreise und Klassengesellschaft). Die dritte Möglichkeit, dass nur einer nicht kooperiert, führt zu einem optimalen Individualergebnis für den nicht Kooperierenden (Konzertbesuch bei nicht ausgereizten Preisen) und zu einem individuellen Worst Case für den Kooperierenden (kein Konzertbesuch trotz nicht ausgereizter Preise).
Nun ergibt sich unter diesen Bedingungen ein Nash-Gleichgewicht (das ist so etwas wie ein stabiler Zustand) für die Situation, dass beide nicht kooperieren. Es ist also in gewissem Sinne nur rational, dass sie so handeln, wie du anprangerst. [Bitte nicht daran aufhängen, dass hier nur von zwei Personen die Rede ist, es gibt auch eine Version für beliebig viele, ich wollte es nur nicht zu kompliziert machen].
Dass das so ist, hat vornehmlich eine Ursache: Die Tatsache, dass sich die Akteure nicht miteinander absprechen können.

Worauf ich damit hinaus will: Solange das Individuum aufgrund fehlender übergeordneter Organisation (sowas wie eine "Gewerkschaft der Konzertbesucher") damit rechnen muss, dass sein Fehlen ohnehin durch einen anderen Besucher kompensiert wird, es also für nichts auf sein Erlebnis verzichtet, kann man ihm nicht vorwerfen, sich nicht für den Boykott zu entscheiden. Das gilt trotz der Tatsache, dass das Problem erst dadurch auftritt, dass ein Großteil der Individuen so denkt (sogenannte "Rationalitätsfalle"). Deswegen braucht es übergeordnete Regelungen bzw. gemeinsame Organisation und Absprache.