Ich glaube, dass die Vision eines Hausarztes, der die Impfung mal eben in 6 Minuten macht, ein wenig zu optimistisch ist. Da hängt viel mehr dran. Der Aufbau von "Impfzentren" ist ja schon ein Fingerzeig in die Richtung. Wenn nämlich, wie bisher berichtet, der Impfstoff bei -70 Grad gelagert werden muss, dann wird die Aufrechterhaltung der Kühlkette ne echte Herausforderung.
Außerdem würde der Impfstoff zunächst in größeren Flaschen von 50-100 Dosen kommen, da der Engpass womöglich die Abfüllanlagen sein werden. In so kurzer Zeit werden nicht hunderte Millionen Einzeldosen abzufüllen sein. Das bedeutet, dass die Hausärzte 50-100 Leute an einem Tag impfen müssten, damit der Impfstoff nicht verdirbt. Und ohne ein Einladungssystem für Impfungen, wie es das in Schweden oder dem UK gibt, wird das schwierig zu organisieren. D. h. dass Hausärzte vielleicht gar nicht in der Lage sein werden, die Impfungen vorzunehmen. Einfach weil sie die Leute nicht so einbestellen können, dass der Impfstoff nicht verdirbt. Also könnte das ganze in Unikliniken und Krankenhäusern stattfinden, was einen neuen Flaschenhals schafft. Oder man macht sowas in Messehallen usw. auf, die ja im Moment sowieso leer sind. Alles keine unlösbaren Probleme, aber Punkte die dafür sorgen könnten, dass sich das alles was länger hinzieht.
Außerdem wissen wir zumindest noch nicht - BionTech und Pfizer vielleicht schon - ob der Stoff für alle gleich wirksam ist (also für Risikogruppen vielleicht mehr Impfstoff benötigt wird), ob vielleicht nur schwere oder nur milde Verläufe gestoppt werden, ob symptomlose Infektionen und Infektiösität verhindert werden, wie lange der Impfschutz anhält, etc.
Zuletzt noch die Produktion. Selbst wenn die beiden Unternehmen angeben relativ zügig 50 Mio. Dosen zur Verfügung stellen können, wäre das ja nur für 25 Millionen Mneschen ausreichend und das weltweit! Die EU-Kommission wird morgen zwar wahrscheinlich einen kaufvertrag über 200-300 Millionen Dosen mit den beiden Unternehmen ankündigen, aber noch hab ich nix dazu gelesen für welchen Zeitraum das gilt.
Wenn all diese Probleme gelöst sind - Produktion, Kühlkette, Impfzentren, etc. - dann kann man die Taktung von 6 Minuten pro Impfling wahrscheinlich schon erreichen. Aber bis das der Fall ist könnte es halt noch eine Weile dauern, fürchte ich. So etwas wurde halt hier noch nie gemacht.
Und da sprechen wir noch nicht einmal von der Schwelle an geimpften Patienten, die erreicht werden muss, damit man Beschränkungen aufheben kann. Deren Erreichen hängt halt auch sehr von der Impfbereitschaft in der Bevölkerung ab, die im Vergleich relativ gering sein könnte, wenn der Impfstoff logischerweise nur limitiert getestet werden konnte, schon gar nicht langfristig.