11.06.2003 20:16
Mein Anschreiben:
Sehr geehrter Herr Lieberberg,
dieses Jahr besuchte ich zum ersten mal Ihre Veranstaltung "Rock am Ring",
wo Sie die Besucher u.a. ausdrücklich aufforderten, Ihnen via Email ein Feedback
über den Gang der Veranstaltung zukommen zu lassen. Dieses Angebot möchte
ich mit dieser Mail an Sie wahrnehmen.
Zunächst möchte ich Ihnen meine Anerkennung dafür aussprechen, daß Sie es geschafft haben,
ein Stück Jugendkultur vergangen geglaubter Zeiten für die kommenden Generationen zu
erhalten, nämlich das klassische Rockfestival. Sehr zufrieden war ich mit der Zusammenstellung der Bands;
das kulinarische Angebot war zwar leider sehr teuer, dafür aber durchgehend gut und Abwechslungsreich.
Ausgesprochen gut organisiert waren auch die sanitären Anlagen, die durchgehend
von einer der Situation angemessenen Sauberkeit waren. Kritikpunkte aber hier:
- die Fußwege zu den Duschen sollten -gerade bei heißem Wetter- kürzer gehalten werden.
Von meinem Campingplatz B9 aus war es praktisch unmöglich, nicht bereits wieder völlig
verschwitzt am Zelt anzukommen.
- Die Toilettenkabinen der meisten Wassertoiletten sind für größere Personen einfach zu klein.
Gewisse Verrichtungen, die sich der Notdurft anschließen gestalten sich äußerst schwierig.
- Wirklich vorbildlich war die Toilettenanlage auf dem Campingareal B2. Es wäre schön, wenn nur noch
Container dieses Typs zum Einsatz kämen (Intern hieß diese Anlage bei uns nur das "Premium-Klo").
Sicherlich sind diese Schwierigkeiten aber nicht als gravierend zu werten, eine Ändurung wäre aber "nice to have".
Als viel gravierender empfand ich den Ausbildungs- und Erfahrungsstand einiger Mitarbeiter der Sicherheit auf den
Zeltplätzen. Bei einigen dieser jungen Leute konnte ich mir einfach nicht vorstellen, wie sie mit einer wirklich gefährlichen
Situation, z.B. falls jemand bei einer Auseinandersetzung tätlich werden sollte, fertig werden sollten. Vielleicht täusche
ich mich mit dieser Einschätzung aber auch.
Ein anderer Kritikpunkt in diese Richtung: Der Informationsaustausch unter den Ordnungskräften schien nicht immer
reibungslos zu laufen. Auch war die Informationslage im Allgemeinen bei der Security als Ansprechnpartner nicht immer
zufriedenstellend.
So konnte mich ein Mitarbeiter auf dem Festivalgelände auf die Frage nach Trinkwasserzapfstellen nur an die Verkaufsstände
verweisen.
Sicher ist es nicht einfach, Ordner, die im Mehrschichtbetrieb arbeiten, täglich zu briefen. Vielleicht könnten Sie aber prüfen,
ob der Einsatz moderner Datenfunksysteme die interne Informationslage nicht deutlich verbessern könnte. Systeme dieser Art
könnten auch helfen, die Kapazitäten auf den Zeltplätzen während der Anreisephase besser zentral zu koordinieren und den
Verkehr entsprechend zu leiten.
Womit wir auch schon beim Thema "Getränke auf dem Festivalgelände" wären. Für unmut sorgten hier meiner Wahrnehmung nach
bei sehr vielen Festivalbesuchern weniger die Beschränkungen an sich, als deren Unberechenbarkeit und schlechte Nachvollziehbarkeit.
Die Volumenbeschränkung bei Tetrapacks oder das Verbot von Trinkschläuchen lässt sich nur sehr schwer offensichtlich aus
Sicherheitserwägungen
begründen; eher gehen da die Spekultionen seitens der Festivalbesucher in Richtung wirtschaftlicher Erwägungen. Insbesondere, da auf
dem und um das Gelände praktisch nirgends die zugelassenen 1-l-Tetrapacks erhältlich und auf dem Gelände hinreichend
"Ersatzwurfgeschosse"
wie die Smirnoff-Flaschen erhältlich waren. Möglicherweise sitzen Sie da auch ein wenig zwischen den Stühlen mit den Besuchern als
Kundschaft auf der einen und Standplatzpächtern ebenfalls als Kundschaft auf der anderen Seite. Aufklärung über die wahren Gründe
könnte hier sicherlich viel Ärger bei den Festivalbesuchern vermeiden.
Was leider gar nicht schön war, war der Umstand, daß antialkoholische Getränke ebenso teuer waren wie Alkoholische.
Inwieweit haben Sie auf die Preisgestaltung der Pächter eigentlich einen Einfluß?
Allgemein bemängelt wurde auch die Trennung von Park- und Zeltarealen. Ich kann mich dieser auf dem Festival sicher am häufigsten
geäußerten Kritik nur anschließen. Soweit mir bekannt sollte der Zweck dieser Regelung in einer effizienteren Flächennutzung sowie
zur Schaffung freier Rettungswege auf den Zeltplätzen bestehen.
Ob Ersteres erreicht wurde, kann ich nicht sagen. Das mit den Rettungswegen hat jedenfalls nicht funktioniert.
Mein Gegenvorschlag zur Trennung:
Die Plätze werden wieder gemischt genutzt, aber durch Parkreihen eingeteilt. Es geht schneller, ein Auto zu parken, als ein Zelt
aufzubauen.
Daher dürfte sich der Aufbau solcher Parkreihen während der Anreise zur Gliederung der Zeltplätze problemlos erledigen lassen, ohne
daß dem Vorhaben
Zelte in die Quere kommen. Man hätte dann folgende Abfolge:
- ein Parkstreifen
- eine Gasse
- ein Parkstreifen
- Ein Streifen, auf dem gezeltet wird
-ein Parkstreifen
-eine Gasse
usw.
Die Campingstreifen müssten dabei so breit bemessen werden,
daß sie die zu den beidseits geparkten Fahrzeugen gehörigen
Besucher mit ihren Zelten aufnehmen können.
Vorteile dieser Lösung:
- gleichgute Flächenausnutzung
- freie Rettungswege
- kein Geschleppe zum Zeltplatz.
Vielleicht noch eine Anregung zur Stauvermeidung bei der Anreise:
Würde man die Zeltplätze den Besuchern bereits mit ihrem Ticket
zuweisen, wäre eine kapazitätskonforme Einweisung der Fahrzeuge
bereits bei der Anfahrt zum Ring möglich; durch eine weitläufige
Beschilderung könnte man die Besucher schon im Umland auf unterschiedliche
Anfahrtsrouten verteilen.
Um keine Gruppen zu zerreißen, müsste die Möglichkeit gegeben sein, sich
bei einer gemeinsamen Kartenvorbestellung auch einen gemeinsamen Camping-
platz zuweisen zu lassen.
Zum Schluß noch eine Anregung ganz anderer Art:
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, einen Dokumentarfilm
über "Rock am Ring" zu produzieren? Für viele Fans wäre eine solche
Dokumentation sicher von Großem Interesse; nebenbei würde ein
solch ausgiebiger Blick hinter die Kulissen wohl auch viele Fragen beantworten
und erklären, warum bestimmte Wünsche und Forderungen nur sehr schwer oder
überhaupt nicht erfüllbar sind.
So, das war´s. Ansonsten hat es mir dieses Jahr sehr gut auf dem Ring
gefallen, und sollte ich mich mit vierunddreißig nicht doch zu alt fühlen,
werde ich auch nächstes Jahr wieder dabei sein.
Die Antwort:
Sehr geehrter Gopher John*.
danke für Ihre ausführlichen, kritischen Eindrücke, die ich gerne zur Kenntnis nehme und auch an die zuständigen Mitarbeiter weiterleite. Konstruktive Anmerkungen nehme ich zum Anlass für mögliche Veränderungen und Verbesserungen, zumindest aber die Diskussion hierüber.
Wir müssen die Dusch-Camps aus organisatorischen Gründen konzentrieren, gewisse Wege lassen sich nicht vermeiden. Bei den Toiletten greifen wir schon auf alle verfügbaren Einheiten zurück.
Unsere Ordner wurden weitgehend positiv beurteilt, die meisten haben große Festivalerfahrung. Natürlich erfordert ein solcher Event eine so große Anzahl, dass nicht alle gleichermaßen mit den Verhältnissen vertraut sind. Bei den meisten Kräften handelt es sich um Aushilfen oder Teilzeitkräfte. Andere Mitarbeiter lassen sich beim besten Willen nicht für diesen Job rekrutieren und wir verfügen ganz bestimmt über die besten. Briefings finden regelmäßig statt, die Security-Firmen verfügen über moderne Kommunikationsmittel, wobei dies in der Tat noch verbesserungsfähig ist.
Die Tetra Pak-Frage bedarf in der Tat einer näheren Beleuchtung und Klärung, wobei ich für eine großzügige Handhabung plädiere. Die Smirnoff-Flaschen sind erheblich kleiner und mit einem Pfand versehen, dennoch erkenne ich den Widerspruch. Wasser sollte laut unseren Absprachen das billigste Getränk sein. Wir werden künftig hierauf bestehen!
Die Neuregelung bei Campen und Parken hatte drei Gründe:
- Schaffung von mehr Raum und freie Rettungswege
- Verhinderung von Willkür bei der Erhebung der Camping-/Parkgebühren
- Erweiterung und Konzentration der Sanitär-Camps
Zumindest was die letzten beiden Punkte angeht, waren wir erfolgreich.
Ihren Gedanken zur gemischten Nutzung in Parkreihen halte ich für interessant. Wir werden Ihre Vorschläge prüfen und diskutieren, ob wir so eine Änderung zum Besseren bewirken können. Auf jeden Fall wirkt dieses Konzept schlüssig.
Nochmals Dankeschön für Ihre ernsthaften Kommentare und Notizen.
Mit freundlichen Grüßen
Marek Lieberberg
*Name has been changed to protect an
not-so-innocent