21.05.2002 07:55
Es ist zwar viel, aber Ihr solltet es lesen:
Lieber Herr Lieberberg,
ich möchte mich heute aus aktuellem Anlass an Sie wenden.
Verschiedene Attribute zeichnen mich, die kleine Festivalbesucherin aus, und die möchte ich gleich zu Anfang deutlich machen:
1. Gehöre ich zu der seltenen Gattung „habe seit 1985 fast alle RaR mitgemacht“
2. Gehöre ich zu der Gattung „Menschen, die an solchen (Internet-) Foren partizipieren, auch eine Art Existenzberechtigung liefern wollen und dann überkritisch sind“ **Zitat Ende**
3. Gehöre ich zu der Gattung „habe sicher mehr Kohle als die vielen Jüngeren, die da waren, aber der Veranstalter wird es sicher schaffen, gerade uns zu verprellen, die MEHR dort lassen als fünf 20jährige zusammen“
Nun, sicher fragen Sie sich, warum ich an Sie schreibe und das möchte ich Ihnen jetzt erklären:
Es gibt Menschen, und zu denen zähle ich mich auch, die hängen mir viel HERZ an Rock am Ring.
Es gibt eine ganze Menge Gründe dafür, manchen Leuten kann man sowas erklären, manchen nicht.
Ich werde mir diese Erklärung daher hier sparen.
Ein anderer Grund ist Ihr Interview, das kurz vor Rock am Ring veröffentlicht wurde, und darauf möchte ich mich, zumindest teilweise, beziehen.
ABER zu allererst möchte ich mich BEDANKEN für die Chance, solche Legenden wie Ozzy, Neil oder Lenny auf dem Ring SEHEN zu dürfen. Nun ja, zumindest konnte ich Lenny sehen (die Leinwand klappte) und Neil (sogar ich Platzangst gebeuteltes Menschlein konnte recht weit nach vorne gehen). Ozzy habe ich an seinen Liedern erkannt (die Leinwand war auf einmal ganz blau, oder lag das an meinem Zustand??), denn sehen konnte ich ihn etwas weiter hinten stehend leider nicht.
Gehört habe ich leider nicht allzuviel von den dreien, da es sehr leise war. Teilweise konnte ich Lennys und Neils Stimme auch nicht von seiner Gitarre unterscheiden. Ein wenig störend fand ich auch den Zweitsound, der mir ununterbrochen ins Ohr dudelte. Wenn ich, unqualifizierter Weise, etwas anmerken dürfte:
Die Lage der Altera war ein wenig unglücklich gewählt. In diesem Zusammenhang fällt mir auch noch ein:
Der schmale Durchgang zwischen Center- und Alternastage war gerade so bemessen, dass die in diesem Jahr wenig vertretenen Besucher gerade so durchgepasst haben. Ebenso fand ich den Platz vor der Alterna recht dünn, sprich es passten nicht sooo viele Leute hin.
Nun, in diesem Jahr, wo ja nicht soviele Menschen den Weg in die Eifel gefunden haben, war das nicht soo tragisch, aber wenn es mal mehr sein sollten ...
Trotzdem ist es natürlich so, dass Festivals wie das Southside oder Roskilde absolut primitiv in Struktur, Technik und Aufwand **Zitat Ende** sind.
Kaum vorstellbar, dass dort so leise gerockt wird, dass die Ohren ihrer Besucher geschont und daher veranstalterseitig soviel Rücksicht auf die Gesundheit der Menschen genommen wird. Bitte verzeihen Sie mir auch meine „deutsche Art immer wieder zu maulen“ **Zitat Ende**.
„Wenn Sie einmal das Roskilde-Festival in Dänemark betrachten, wo bei den schrecklichen Vorkommnissen (Todesfälle nach Gedränge im Publikum, Anm. d. Red.) der Ordnungsdienst überhaupt nicht zu vergleichen ist mit dem unseren, und andere große Nachlässigkeiten herrschen“ **Zitat Ende**
Ich muss es einfach erwähnen: Nachlässigkeiten gibt es bei unserem geliebten Festival wirklich nicht! Konnte ich doch an drei Tagen ohne lästiges Durchsuchen meines recht großen Rucksackes, das Festivalgelände betreten! Habe mich über diese rücksichtsvolle und großzügige Geste sehr gefreut!
„Eigentlich sollte sich das Festival durch die Ticketverkäufe decken. Meistens ist es so, dass erst durch Nebeneinnahmen, sei es das Catering oder das Sponsoring, eine Gewinnsituation geschaffen wird. Ohne die ist ein Festival nicht darstellbar“ **Zitat Ende**
Lieber Herr Lieberberg, ich bin froh, dass von Ihrer Seite früh genug gemerkt wurde, dass insbesondere das Catering in diesem Jahr für eine besondere Gewinnsituation sorgen musste. Da ja nicht allzuviele Tickets verkauft wurden, fand ich die Idee, die Getränke- und Essenspreise derart hoch anzusetzen, einfach genial.
JEDER, der am Festival Nr. 1 in ganz Europa teilnimmt, sollte sich dessen besonderen Stellenwert bewusst sein und deshalb nicht meckern, auch für ein Bier oder ein Stückchen Pizza in der Größe einer Kinderhand, einen 5-Sterne-Preis zu zahlen.
Schließlich gibt es im Hilton auch kein Bier für einen angemessenen Preis und in einem First-Class-Restaurant sind die Portionen für viel Geld sehr wenig. Unser geliebtes Festival diesem Niveau anzupassen ist nicht mehr als gerechtfertig, wenn man den Stellenwert von Rock am Ring in der europäischen Szene bedenkt, ich kann es nicht oft genug erwähnen.
Phantastisch auch die Idee, für die Toilettengänge einen Obulus zu verlangen. Auf jeder mittelklassigen Autobahnraststätte ist das heute üblich und ich verstehe die Menschen nicht, die dafür kein Verständnis haben.
Toll auch die Idee, im Zuge der Kostenreduzierung, die Reinigung dieser kostenpflichtigen Toiletten nicht durchführen zu lassen. Wer erwartet, für bisher kostenfreie Diensten etwas mehr Service zu erhalten, hat von wirtschaftlicher Rechnung wirklich keine Ahnung.
In diesem Zusammenhang fallen mir kurz die Campingpreise ein. Auch dazu kann ich nur sagen: Wer nicht bereit ist, diese horrenden Summen für zwei Dixie-Toiletten, die einmal am Wochenende gereinigt werden und einen Tank voll Frischwasser, zu zahlen, gehört nicht auf solch eine First-Class-Veranstaltung.
Wenn ich bedenke, welch hochwertigen Sponsoren mir permanent versichert haben, dass sie stolz sind, Teil einer solchen Veranstaltung zu sein, treibt es mir die Tränen der Rührung und Dankbarkeit in die Augen. Wer käme auf die Idee, bei der dezent blinkenden Präsenz eines Hauptsponsors, bei Werbung, so weit das Auge reicht, sich zu fühlen wie bei den Werbepausen der privaten Fernseh-Sender? Natürlich nur Leute, die keine Ahnung haben. Also der kleine Festivalbesucher.
Abschließend muss ich sagen, ist die Idee, jüngere Menschen, die nicht allzuviel Geld haben und sich dreimal überlegen, ob sie für ein leckeres Bier aus Plastikbechern, 2,50 Euro hinlegen, für die Zukunft zu verprellen, sehr clever ist. Wer sich das Spitzenfestival nicht leisten kann, sollte auch nicht hingehen.
Ältere Menschen wie ich, die wirtschaftlich rechnen können, werden natürlich auch weiterhin pro Tag auf dem Festivalgelände 10 Bier trinken und damit den Gesamtbetrag, den man für dieses wunderbare Festivalwochenende aufwenden muss, auf ca. 500 Euro erhöhen. Das sollte die Sache schon wert sein.
Menschen die sagen, „die Party können wir auch woanders machen“ haben natürlich den wunderschönen Sonnenuntergang in der Eifel und das recht akzeptable Wetter vergessen.
Wenn es nicht soviele wunderbare Menschen gäbe, die GERN zusammen feiern, wo kämen wir da hin mit unserem geliebten Rock am Ring?
Seien wir froh und dankbar, dass sie jedes Jahr (wenn auch jedes Jahr ein paar weniger) kommen!
Andererseits haben Sie natürlich durchaus Recht, diese Menschen nicht nach ihrer Meinung zu fragen, denn es sind ja alles Alkis und Assis, die sich da rum treiben, die tagelang im Delirium liegen – nun, muss man diese Menschen zu irgendetwas befragen? Ich meine NEIN.
Lieber Herr Lieberberg, ich hoffe, Sie nicht belästigt zu haben. Ich habe ein dringendes Existensbedürfnis, das wollte ich Ihnen nicht vorenthalten.
Bitte sorgen Sie dafür, dass auch weiterhin alles daran gesetzt wird, dass Menschen wie mir, die mit viiel Liebe am alljährlichen Pfingswochen-Ende hängen, zukünftig die Entscheidung, zum Ring zu fahren, noch ein Stück mehr erschwert wird.
Es grüßt Sie recht herzlich
Whitch
-FAN-
[Nachricht geändert von whitch am 2002-05-21 07:55]