New Model Army - Anthology

Um den Feind mit größter Wirksamkeit bekämpfen zu können, muss man den Feind auch kennen. Die verbissenen Klassenkämpfer der New Model Army, deren Karriere nun auch schon dreißig Jahre umfasst, haben in ihren Songs unter anderem auch immer wieder auf diese Binse hingewiesen. Ob sie von Anfang an wussten, dass ihre Feinde meist zu faul zum Recherchieren waren und die zuweilen etwas krampfigen Propheten einfach trotzdem hassten? Denn es ist nun mal so: Wer heute über Sting witzelt, kann die Police-LP "Synchronicity" nicht kennen, wer in U2 den Klassenfeind sieht, hat vielleicht die berühmten zwei, drei Monster-Alben und verstreute Radio-Singles, nicht aber "War" oder "October" besessen, wer Genesis verspottet, meint meist "Invisible Touch", "I Can't Dance" oder die Volkswagen-Tournee und hat von "In The Cage" oder "Mad Man Moon" noch nichts erfahren. Aufgrund ähnlich ärgerlichen Halbwissens (und der auf Abschlussfeiern verschiedenster Couleur scheintot gespielten Ruhestörern "Vagabonds", "51st State" und "White Coats") wurde auch den alten Weggefährten aus Bradford, Yorkshire zeitlebens der Einlass in die Hallen ewiger Coolness verwehrt. Deshalb ist es gut, dass man die Jubilare nun mit einer Werkschau ehrt: Zu etwa neun Stunden Filmmaterial mit Rockpalast-Konzerten und einem 25 Jahre alten Auftritt im Marquee kommen jeweils vier Songs aus den dreizehn Alben (die beiden Sammlungen mit B-Seiten eingerechnet) und die gewohnt befremdliche Zeichnung auf dem Cover. Durch die gleichmäßige Berücksichtigung aller - also auch der späten, schwächeren - Schaffensperioden gerät das Konvolut zwar etwas uneben, doch sind die schönsten Songs (die fast nie die bekanntesten waren) enthalten: "Marry The Sea", "Living In The Rose", "A Liberal Education", "Smalltown England" und das überraschend junge, glänzende "Dawn". Unterstützen sie die Armee! Die 3 Euro, die sie in einem halben Jahr für Bonaparte oder Die Antwoord vom Höker bekommen, reichen ja doch nicht zum Leben.

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