24.02.2006 10:56
22.02.2006 15:58 Uhr
Studentenprotest
"Wir hoffen, dass sie irgendwann zur Besinnung kommen"
Seit Wochen besetzen Studiengebühren-Gegner das Rektorat der Uni Bielefeld. Ein Ende des Protests ist nicht in Sicht.
Von Nicola Holzapfel
Idris Riahi kommt nicht einmal in Ruhe zum telefonieren. "Wo wollen Sie hin? Hier können Sie nicht durch!" Der Anglistik-Student muss eine Blockade aufrecht erhalten. Er gehört zu der kleinen Gruppe von Studierenden, die das Rektorat der Bielefelder Hochschule besetzen. Seit drei Wochen wird hier aus Protest gegen Studiengebühren gekocht, geschlafen, Kicker gespielt. Aus dem Senatsraum ist ein Wohnzimmer geworden. Hier machen es sich die Besetzer gemütlich, machen Pause von ihrer Protestarbeit.
20 bis 70 Studenten zählt die Gruppe nach eigenen Angaben. Besetzt wird im Schichtbetrieb. Nicht alle sind die ganze Zeit im Rektorat. Die Protestler kommen aus verschiedenen Fachrichtungen, Soziologie-, Informatik- und auch Physik-Studenten sind dabei. Aber nicht alle Fakultäten sind vertreten. Von den Juristen beispielsweise hat sich bislang keiner dem Protest angeschlossen.
Die Uni-Mitarbeiter müssen nun eben anderswo arbeiten. Keiner weiß, wie lange das so weitergehen soll. "So wie sie sich eingerichtet haben, könnten sie ein Jahr durchhalten", sagt Uni-Sprecher Hans-Martin Kruckis.
Vergangene Woche sei es zu Handgreiflichkeiten gekommen, als einige Mitarbeiter Unterlagen aus ihren Büros holen wollten, ließ die Uni in einer Pressemitteilung wissen. Die Studenten konterten ihrerseits mit einer Pressemitteilung, in der "explizit auf den am Anfang der Besetzung vereinbarten Verhaltenskodex, der absichtliche Sachbeschädigung und gewaltsames Handeln prinzipiell ausschließt", verwiesen wird.
» Es ist demokratischer Beschluss, dass wir knallhart bleiben. «
Idris Riahi von der Besetzer-Truppe geht es nicht um Schuldzuweisungen. "In so einer Situation sind die Gemüter erhitzt. Wir wollten nicht, dass die Mitarbeiter Akten aus ihren Büros holen. Das hätte die Blockade parodiert." Und die wird durchgehalten. "Es ist demokratischer Beschluss, dass wir knallhart bleiben."
Ihre Beschlüsse fasst die Besetzergruppe jeden Abend in der "Plenumstunde". Hier wird teils heftig diskutiert, denn die Truppe ist bunt zusammengewürfelt. "Einige sind sehr links, aber es gibt auch gemäßigte Leute", sagt Riahi. Die Protestler scheinen gut organisiert. Aufgaben wie Öffentlichkeitsarbeit oder die Organisation von Infoständen haben sie untereinander aufgeteilt. Nebenher wird weiter studiert. Unterstützung gibt es vom Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) der Uni Bielefeld, der auch gegen Studiengebühren ist und den Besetzern sogar die Nahrungsmittel finanziert. Auf der Webseite häufen sich Solidaritätsbekundungen aus ganz Deutschland.
Doch wie die anderen 17.000 Bielefelder Studenten zu der Aktion stehen, wissen die Besetzer nicht. Für April ist jetzt eine Urabstimmung geplant, wo alle für und gegen Gebühren stimmen können. Uni-Sprecher Kruckis glaubt, dass die Aktion bei den meisten keinen Rückhalt hat. Auch Riahi hat schon häufig gehört, dass die Besetzung viel zu lange dauert. "Davon darf man sich nicht abhalten lassen. Wir protestieren dagegen, dass die Hochschulen zu Wurstfabriken degradiert werden", sagt der Anglistik-Student. "Uns geht es ja nicht darum zu zeigen, was für tolle Rektoratsbesetzer wir sind, sondern um Inhalte. Wir wollen eine öffentliche Diskussion über Studiengebühren."
Momentan stehen die Protestler vor dem Problem, dass sie die Masse ihrer Kommilitonen nicht erreichen. Es gibt zwar eine eigene Webseite, aber die Besetzer wollen ihre Position auch auf der Uni-Homepage veröffentlicht sehen. Als Kompromiss hat die Hochschule nun ein Diskussionsforum auf ihrer Webseite eröffnet. Aber das reicht der Besetzergruppe nicht. Also herrscht Funkstille. Man redet nicht miteinander.
Dabei ist die Veröffentlichung ihrer Resolution noch die kleinere Forderung. Verlangt wird auch der Rücktritt des Rektors. Ihm werfen die Besetzer vor, dass vor der Entscheidung des Senats der Hochschule über Studiengebühren die Studentenvertreter nicht rechtzeitig informiert worden seien. Außerdem sei durch gezielte Einflussnahme ein "Nein" zu Gebühren unmöglich gewesen. Der Senat hatte Anfang Februar das Rektorat mit der Planung einer Beitragssatzung beauftragt. Beschlossen sind die Gebühren damit noch nicht. Die Vorwürfe der Studenten weist der Rektor Dieter Timmermann zurück.
"Normalerweise wäre das Land Nordhrein-Westfalen die richtige Adresse für die Proteste", sagt Uni-Sprecher Kruckis. Das Bundesland hat vergangenen Herbst den Weg für Studiengebühren in Höhe von maximal 500 Euro pro Semester frei gemacht. Allerdings bleibt den Hochschulen überlassen, ob und in welcher Höhe sie Gebühren erheben.
An der Uni Paderborn sind Studienbeiträge seit vergangener Woche beschlossene Sache. Schon vom kommenden Wintersemester an soll gezahlt werden. Auch in Paderborn ist inzwischen das Rektorat besetzt, doch die Fronten scheinen weniger verhärtet. Immerhin reden Rektor und Besetzer täglich miteinander.
In Bielefeld haben sich weder Rektorat noch Protestler offiziell einen Zeitrahmen gesetzt. "Wir hoffen, dass sie irgendwann zur Besinnung kommen und die Sache beenden", sagt Uni-Sprecher Kruckis. Und Idris Riahi von der Besetzer-Gruppe sagt: "Die Frage ist nicht, wie lange wir weitermachen wollen, sondern wie lange wir weitermachen müssen." Auf jeden Fall arbeite man schon mal an anderen Ideen.
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