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The Prodigy zurück in Berlin – We Live Forever

Alex JungAlex Jung, 05.12.2023

Alex Jung

Alex Jung
05.12.2023

An einem eiskalten Sonntagabend in Berlin bahnten sich Tausende ihren Weg die vereisten Treppen hinab zum ehrwürdigen Velodrom. Die "Army of the Ants" sehnte sich danach, die Helden einer ganzen Generation endlich wieder zu erleben. Aus den frühen 90er Jahren der britischen Rave-Kultur hervorgegangen, avancierte The Prodigy rasch zum elektronischen Live-Act der vergangenen drei Jahrzehnte. Ausverkaufte Welttourneen, Top-10-Hits und eine konstante Medienpräsenz prägten ihren Weg. Es schien, als gäbe es nur eine Richtung: nach vorne. Doch dann, mit dem tragischen Tod des Frontmanns Keith Flint Anfang 2019, brach eine Welt zusammen. Niemand verkörperte den "Firestarter" so sehr wie er. Lange Zeit war ungewiss, wie es mit The Prodigy weitergehen würde. Nach einigen vereinzelten Festivalauftritten meldeten sie sich endlich live zurück, wenn auch ohne neues Material.

Einatmen – Mastermind Liam Howlett betrat in Siegerpose gemeinsam mit Drummer Leo Crabtree und Gitarrist Rob Holliday die nebelverhangene Stage. Nun war es an Maxim Reality die vorderste Position allein auszufüllen. Die Erwartungen waren hoch gesteckt, ob eine The Prodigy Show ohne Flinty funktionieren konnte. Mit dem Welthit „Breathe“ wurde die Audience von der ersten Minute an auf Abriss eingestellt. Danach ging es Schlag auf Schlag. Ob bei „Omen“ vom Album „Invaders Must Die“ oder „Vodoo People“, der Moshpit kochte. Bereits während der ersten Songs begab sich Maxim auf Tuchfühlung mit dem Publikum und stürmte durch den Bühnengraben. Er holte wirklich alles aus den Fans heraus.

Dennoch etwas fehlte. Die Stelle des Firestarters blieb unbesetzt und wurde vielleicht auch aus Respekt nicht ersatzhalber mit alternativen Vocals durch Maxim belegt. Das Velodrom wurde an diesem Abend vom einer deckenhohen Statue im hinteren Bereich der runden Halle dominiert. Neben der Funktion als das Insta-Motiv schlechthin spielte sie im weiteren Verlauf der Show noch eine bedeutende Rolle. Während des epischen „Omen Reprise“ verbanden gigantische Laserstrahlen das Monument mit der Main Stage am anderen Ende. Auf den Screens neben der Bühne zeichnete sich die Silhouette von Keith Flint ab. Es folgte das Stück mit welchem nicht nur eingefleischte Fans The Prodigy verbinden, der „Firestarter“, jedoch nur instrumental, als Homage und in Gedenken an den Verstorbenen. Wer bis dahin nicht glaubte, dass es in diesem musikalischen Genre Gänsehautmomente geben konnte, dies war einer.

Nun feuerte man die Laser unentwegt hin und her. Ganze 14 Tracks zählte das kurzweilige Hauptset, welches nahezu alle Hits enthielt und mit „Smack My Bitch Up“ seinen Abschluss fand. Letzteres blieb übrigens ebenfalls instrumental. Ob dies nun, wie oft behauptet, dem Zeitgeist entsprechend oder an dem schlichten Mangel des Vokalisten lag, blieb der Vorstellung jedes Einzelnen überlassen.

Eine kurze Verschnaufpause gönnte man dem Publikum bevor es mit „Take Me To The Hospital“ und „Invaders Must Die“ in den ausgedehnten Zugabenblock ging. Generell ist Howlett dafür bekannt gerne die Live-Versionen etwas zu variieren. Eine herausragende Umsetzung fand daher der Klassiker „Diesel Power“ dank des 80er Knight Rider Intros. Der Song „We Live Forever“ war gleichzeitig Statement und Fazit des Abends, bevor dieser mit ein paar Snippets von „Out Of Space“ und „Resonate“ beschlossen wurde. The Prodigy sind live eine Naturgewalt der man sich kaum entziehen kann. Mit Keith Flint fehlt ein wichtiger Teil der Performance den Maxim nicht allein ausfüllen kann, noch will. Man kann mit Fug und Recht sagen The Prodigy are back und das ohne jeden Makel.

Alex Jung Alex Jung

Alex ist freier Konzertfotograf aus Leidenschaft. Seit 10 Jahren arbeitet er mit den verschiedensten Medienpartnern von Szene-Ezine bis zum Massenrundfunk. Sein Motto „Es gibt keine Entschuldigung für ein schlechtes Bild“.