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Unsere Highlights vom Freitag und Samstag – Open Flair 2023

Annekathrin LingeAnnekathrin Linge, 22.08.2023

Annekathrin Linge

Annekathrin Linge
22.08.2023

Am Freitag wird, wie jedes Jahr, auch endlich das Hauptgelände am Werdchen geöffnet. Die erste Band auf der großen Radio BOB!-Bühne sind “Flash Forward”. Es gibt direkt erste kleine Circlepits und eine Wall of Death. Als Sänger und Gitarrist Stefan Weigel dann später mit seiner Gitarre ins Publikum kommt, sitzen die Fans und singen gemeinsam mit ihm. Es folgt dann unter anderem noch ein Cover des No Angels-Hits “Daylight”.

So war der Freitag

“Das Lumpenpack” startete vor einigen Jahren als Singer-Songwriter-Pop-Duo. 2021 holten sich die Beiden dann dreiköpfige Verstärkung dazu. Die Stimmung vor der Bühne ist gut. Für etwas Verwunderung sorgt ein crowdsurfender Jesus, der allerdings keine Jesuslatschen trägt. Auf dem Open Flair ist eben alles möglich.

Mit geballter Zwillingspower von Philip und Lukas Wilhelm an der Spitze bilden “From Fall to Spring” sicher eine Seltenheit in der Musikwelt. Vor der Freibühne hat sich ein Mini-Wacken mit Moshpits im Schlamm gebildet. Es herrscht ausgelassene Stimmung. Ganz ursprünglich bereits im Jahr 2008 gegründet, konnte die Band zwar bisher nur 2 EPs und 1 Album veröffentlichen, aber dennoch lassen sich die Erfolge der letzten Jahre sehen, u.a. auch ein Auftritt auf dem Full Force-Festival oder die knapp verpasste Teilnahme am ESC-Vorentscheid dieses Jahr.

Als die “Leoniden” im Anschluss die Hauptbühne betreten, entfacht sich ein Feuerwerk der Energie. Getrieben von scheinbar völliger Extase, geben besonders Sänger Jakob Amr und Gitarrist Lennart Eicke alles. Das würde man so bei wahren Nordlichtern gar nicht erwarten, aber die Kieler spielen ihren Indie Pop mit so viel Freude und ziehen damit auch das Publikum in ihren Bann.

Für den Auftritt von “As Everything Unfolds” aus England zieht es mich an diesem Tag an die Seebühne. Leider ist das Gelände heute sehr wenig besucht, teilweise sind nur 20-30 Leute vor der Bühne. Bei den Briten zumindest haben sich ein paar mehr Musikbegeisterte eingefunden. Das aktuelle, zweite Album “Ultraviolet” der Post-Hardcoreband ist im April erschienen. Sängerin Charlie Rolfe bewegt sich stimmlich mal zwischen sanften Tönen und wechselt dann wieder zu hartem Growling. Eine gelungene Abwechslung, die das Publikum begeistert.

Zurück am Hauptgelände übernehmen “While She Sleeps” die Radio BOB!-Bühne. Die Briten, die letztes Jahr gemeinsam mit Parkways Drive auf großer Tour waren, peitschen mit ihrer Musik das Publikum weiter nach vorn.

Wenn die “Donots” zum Tanz bitten, dann folgt man diesem Aufruf ohne zu zögern. Als eine der besten Live-Bands des Landes spielen sie bereits zum 10. Mal auf dem Open Flair. Wie Sänger Ingo scherzt, ist an diesem Tag alles 10x mehr und so fragt er das Publikum “Seid ihr 300.000?”. Die Eschweger Peitsche schlägt mit voller Härte zu. Während der Show kommt Ingo ins Publikum, klettert erst auf einen Rollstuhlfahrer (natürlich mit dessen Erlaubnis 😉 ) und lässt sich anschließend gemeinsam mit der Viva Con Aqua-Tonne hochheben. Die fünf Musiker aus Ibbenbüren spielen, neben neuen Sachen vom aktuellen Album “Heut ist ein guter Tag” natürlich auch viele ihrer Klassiker, wie “Dead Man Walking”, “Stop the Clocks” oder “Whatever happened to the 80s”. Mit einem schier nicht enden wollenden “So long” verabschieden die Donots ihre Fans in den Abend. Das Lied hallt noch minutenlang in den Eschweger Nachthimmel.

Etwas ruhiger wurde es dann an der Freibühne mit The Answer, welche sich musikalisch irgendwo zwischen Hard-Rock und Blues-Rock bewegen. Sänger Cormac Neeson zückt während des Konzertes eine Mundharmonika. Zwar nicht ganz gewohnte Klänge für einen Freitagabend auf der kleinen Bühne, aber es ergibt ein stimmiges Bild und einen schönen musikalischen Moment.

Der große Headliner des Tages ist Marteria. Nach kurzen technischen Problemen direkt zu Beginn betritt der Rostocker die Bühne. Der Rapper, der auch schon auf eine über 20-Jährige Karriere zurückblicken kann, war zuletzt 2018 zu Gast auf dem Open Flair. Mittlerweile hat er seine sechste 1 Live Krone gewonnen, sein sage und schreibe 10. Studioalbum (“5. Dimension”) veröffentlicht. Marteria bringt einen Hit nach dem Anderen, wird dabei stimmlich unterstützt von Sängerin Odara Sol.

So war der Samstag

Der erste Pflichttermin am Samstag sind definitiv “The Baboon Show”. Wer die Band einmal live gesehen hat, weiß, wie viel Energie dort auf der Bühne freigesetzt wird. Auch beim Open Flair wird das Publikum nicht enttäuscht: Sängerin Cecilia Boström fegt über die Bühne, ist mal vorn direkt beim Publikum und genießt später auch das Bad in der Menge. Sie kann nicht stillstehen und beweist mit ihren drei Bandkollegen, wie guter Punkrock aus Schweden klingen kann, und das seit mittlerweile 20 Jahren. Erst dieses Jahr ist Gründungsmitglied und Gitarrist Håkan Sörle ausgestiegen. Neuer Mann an der Gitarre ist Simon Dahlberg, der sich schon super integriert hat. Die Energie überträgt sich auf das Publikum und so sieht man auch freudestrahlende, crowdsurfende Kinder. Der während der Show leicht einsetzende Regen tut dem Ganzen keinen Abbruch. Letzter Song ist ihr großer Hit “Radio Rebelde”.

Die Destroy Boys gibt es bereits seit 8 Jahren, aber so richtig in den Fokus gerutscht sind die Kalifornier – auch hier in Deutschland – erst 2021 mit ihrem dritten Studioalbum “Open Mouth, Open Heart” mit ihrem Mix aus Punk, Alternative und Indie. Auf Wikipedia findet sich eine kurze, aber treffende Beschreibung: “Die Bandmitglieder selbst bezeichnen sich selbst als eine ‘genrequeere’ Band – das heißt, sie wollen nicht nur die Konstrukte des Genres, sondern auch Geschlecht und Sexualität in Frage stellen.”

“Wolfmother”, die als nächstes auf der Radio BOB!-Bühne stehen, beweisen, dass es absolut keine große Show und Effekte benötigt, um das Publikum anzuziehen. Besonders dann nicht, wenn man mit seinem Debütalbum (“Wolfmother”, 2005) direkt einmal Platin und mehrfach Gold abräumt. Das Werdchen ist gut gefüllt, denn so manch ein Besucher wird sich noch an die Show auf dem Open Flair 2016 erinnern. Auch dieses Jahr überzeugen die drei Musiker aus Australien mit gutem handgemachten Stonerrock.

Die Saarländer von Indecent Behavior waren kurz vor dem Open Flair noch auf Clubtour. Auf der Freibühne beweisen sie ihre Live-Qualitäten und haben auch ihr in diesem Jahr frisch veröffentlichtes drittes Album “Therapy in Melody” dabei, auf dem einmal mehr tiefgehende Texte mit durchaus tanzbarer Musik einhergehen.

Annekathrin Linge Annekathrin Linge

Annekathrin fühlt sich hinter der Kamera sichtlich wohler als mit Zettel und Stift in der Hand. Die gebürtige Erfurterin reist seit fast 20 Jahren quer durch Deutschland und Europa, um ihre Lieblingsbands zu sehen und manchmal auch ablichten zu können. Mit der Musik hält sie es wie mit der Fotografie: keine Schubladen, keine Grenzen.