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Eisbrecher sprengen Schallmauer – Hannover erlebt NDH & Pathos

Rüdiger KnuthRüdiger Knuth, 18.05.2025

Rüdiger Knuth

Rüdiger Knuth
18.05.2025

Lautstärke kann jeder – Stil ist die wahre Kunst. Und genau darin brilliert die Band Eisbrecher. Mit einem Schuss Ironie, einer ordentlichen Portion Pathos und einem Sound, der selbst Stahlträger zum Vibrieren bringt, gehört sie zu den seltenen Vertretern der Neuen Deutschen Härte, die Wucht und Eleganz perfekt vereinen. Am Samstag, den 17. Mai 2025, machten Alexx Wesselsky und seine Mannschaft in der ausverkauften Swiss Life Hall in Hannover Halt. Im Gepäck: die aktuelle „Eiszeit X“-Tour und das brandneue Studioalbum „Polarlicht“, das seit März die Charts ordentlich durcheinanderwirbelt.

HELDMASCHINE – Der perfekte Sturm zum Auftakt

Bevor Eisbrecher das Ruder übernimmt, fährt die Heldmaschine die schweren Geschütze auf. Die Koblenzer Band präsentiert NDH in ihrer ganz eigenen Variante – irgendwo zwischen den hämmernden Rhythmen von Rammstein und frischen, innovativen Soundexperimenten. Frontmann René Anlauff führt seine Truppe durch ein druckvolles Set, das sich klar von den Genre-Größen abhebt und eigene Akzente setzt.

Vor der Bühne bricht schon nach wenigen Songs ein wahres Tanz- und Mosh-Feuerwerk aus, das in wilden Headbanging-Battles seinen Höhepunkt findet. Der Saal tobt – und das im besten Sinne. Elektronische Beats durchziehen den brachialen Sound, was nicht nur Fans von harten Gitarrenriffs, sondern auch Freunde elektronischer Klänge à la Joachim Witt oder Kraftwerk begeistert.

EISBRECHER – Wenn der Frost zum Schmelzen bringt

Wer den Namen Eisbrecher hört, denkt sofort an die Neue Deutsche Härte – aber bei dieser Band kommt das Genre mit einem charmanten Augenzwinkern daher. Keine düsteren Betonklötze von Bedeutungsschwere, sondern eine gekonnte Mischung aus treibenden Industrial-Gitarren, tanzbaren Beats und epischen Refrains, die den Saal spätestens ab dem dritten Song in kollektive Bewegung versetzen.

Gitarrist und Mastermind Noel Pix zündet an diesem Abend ein wahres Riff-Feuerwerk, flankiert von Rupert Keplinger am Bass, Achim Färber am Schlagzeug und Christian „Licky“ Schmitz an der zweiten Gitarre. Gemeinsam erschaffen sie einen Sound, schneidend und präzise wie ein Katana – nur elektrisch aufgedreht und messerscharf ins Publikum geschleudert.

Die Setlist lässt keine Wünsche offen: Mit Klassikern wie „Verrückt“, „Prototyp“ und dem Evergreen „Miststück“ – einem Gruß an Wesselskys Vergangenheit bei Megaherz – wird die Halle schnell zur Sauna, während das Bühnenbild eisige Kälte simuliert. Zwischen LED-Wänden und frostigen Skulpturen entfaltet sich eine arktische Szenerie, die zum Kontrastprogramm des brodelnden Publikums wird.

Natürlich fehlen auch die frischen Tracks aus „Polarlicht“ nicht. Songs wie „Herz aus Eis“ und „Kältezone“ bringen eine moderne Note ins Set, die den harten NDH-Kern mit überraschend eingängigen Melodien verbindet. Besonders „FAKK“ (deren Bedeutung das Publikum schnell selbst errät …) sorgt für lautes Mitgrölen und schweißtreibende Moshpits.

Zwischen Pathos und Provokation: Alexx Wesselsky in Bestform

Was ein Eisbrecher-Konzert so einzigartig macht, ist nicht nur der gewaltige Sound, sondern vor allem die charismatische Bühnenpräsenz von Alexx Wesselsky. Mal mit erhobenem Zeigefinger, mal mit spitzbübischem Grinsen – der Frontmann versteht es meisterhaft, zwischen ironischer Selbstreflexion und provokanten Ansagen zu balancieren.

Er teilt scharfsinnige Kommentare gegen die Musikindustrie ebenso gekonnt aus wie kleine Sticheleien gegen seine eigene dramatische Ader. Während andere Bands der NDH-Szene in bierernstem Symbolismus zu ersticken drohen, spielt Eisbrecher gekonnt mit den Klischees – leichtfüßig, humorvoll und auf erfrischende Weise selbstironisch.

Nach mehr als zwei Stunden ist die arktische Kälte endgültig Geschichte. Das Publikum ist durchgeschwitzt, aber selig. Eisbrecher hat einmal mehr bewiesen: Härte und Humor, Melancholie und Lebensfreude müssen kein Widerspruch sein. Wer die „Eiszeit X“-Tour verpasst, verpasst nicht nur ein Konzert, sondern ein modernes Rockerlebnis, das den Spagat zwischen knallharter Inszenierung und einem breiten Grinsen auf den Lippen meisterhaft beherrscht.

Rüdiger Knuth Rüdiger Knuth

I’m a concert photographer and bass player with a deep passion for music and photography. As an experienced musician, I have a unique perspective that allows me to capture the essence of a live music performance from the artist’s point of view. As a photographer, I strive to capture the energy, emotion, and excitement of each live music event, using my skills to freeze the moments that make each performance unique. My goal is to create images that tell a story and capture the magic of a live music experience.