Umso größer ist heute Abend der Jubel als die ersten Takte von Kvitravn erschallen. Viel zu lange musste das Berliner Publikum auf die Rückkehr von Einar Selvik und Lindy-Fay Hella warten. Das gibt der Begründer des stetig wachsenden Dark Viking Folk-Genres später selber zu. Fünf Jahre sind seit dem letzten Auftritt in Berlin vergangen. Musikalisch wie auch visuell liefern Wardruna ein Meisterstück ab. Ein Spiel mit Licht und Schatten auf einer sehr schlichten Bühne.
Musikalisch geht die Reise durch das gesamte Schaffen der Norweger. Auf neuere Stücke wie Kvitravn und Skugge folgen Klassiker wie Solringen, Bjarkan oder das imposante Tyr. Rund 90 Minuten spielen Wardruna ohne Unterbrechung. Ansagen oder Pause finden faktisch nicht statt. Erst als Einar Selvik das letzte Lied ankündigt, gibt es eine längere Pause. Nicht ganz freiwillig, aber sehr willkommen, denn das Berliner Publikum hält es nicht auf den Plätzen. Sie nutzen die kurze Schaffenspause für minutenlange Standing Ovations. An dieser Stelle zeigt sich auch wieder die Bodenständigkeit der Musiker. Nicht nur Mastermind Selvik ist sichtbar berührt. Seiner längeren Rede merkt man das deutlich an. Als er sich schließlich wieder gefasst hat und seiner Dankbarkeit Ausdruck verliehen hat, äußert er sich zur Bedeutung seiner Musik. Es geht nicht um schlichtes Wikinger-Cosplay oder darum, die Überlegenheit einer Kultur zu vertonen. Ihm geht es darum, wieder Verbindung zu den eigenen Wurzeln herzustellen. Nicht im romanischen Sinne, sondern eher im Praktischen. Geschichte begründet Traditionen. Traditionen begründen Lieder. Und diese Lieder in die Welt zu tragen und die Menschen wieder zum Singen zu bewegen, ist ein Anstoß für Wardruna. Und so leitet er dann auch über zu einem Abschiedslied. Als letzte Lied (oder fast) erschallt das epische Helvegen.