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Durch die nordische Gesuchichte mit Wardruna in Berlin

Hannes FuchsHannes Fuchs, 03.12.2022

Hannes Fuchs

Hannes Fuchs
03.12.2022

Es heißt Norwegen für Deutschland an diesem frostigen Donnerstagabend, den 1. Dezember 2022. Während Deutschland gegen Costa Rica spielt, ist Einar Selvik mit seinem Ausnahme-Ensemble zu Gast in der Hauptstadt. Zum Glück geht es im Theater am Potsdamer Platz aber nicht um Fußball. Wardruna, die hier ihren einzigen Auftritt in Deutschland hinlegen, nehmen ihre Gäste mit auf eine Zeitreise durch die nordische Geschichte. Seit fast 20 Jahren verknüpfen sie melodischen Gesang, mächtige Chöre, flüsternde Stimmen und historische Instrumente mit Texten, die von Magie und nordischem Mythos durchdrungen sind. Ihre Musik enthält eine große Auswahl historischer Instrumente wie Leiern, Flöten, Streichharfen, Trommeln und sogar Ziegenhorn. Beindruckend sind vor allem auch die beiden riesigen Hörner, die an diesem Abend zu Ehren Tyrs erschallen. Das letzte Album Kvitravn (weißer Rabe) wurde Mitten in der Pandemie in 2021 veröffentlicht. Einen ersten Vorgeschmack gab es damals in einem virtuellen Live-Konzert – mehr war nicht möglich. Schließlich lag die Live-Musik-Branche noch im unfreiwilligen Dornröschenschlaf.

Umso größer ist heute Abend der Jubel als die ersten Takte von Kvitravn erschallen. Viel zu lange musste das Berliner Publikum auf die Rückkehr von Einar Selvik und Lindy-Fay Hella warten. Das gibt der Begründer des stetig wachsenden Dark Viking Folk-Genres später selber zu. Fünf Jahre sind seit dem letzten Auftritt in Berlin vergangen. Musikalisch wie auch visuell liefern Wardruna ein Meisterstück ab. Ein Spiel mit Licht und Schatten auf einer sehr schlichten Bühne.

Musikalisch geht die Reise durch das gesamte Schaffen der Norweger. Auf neuere Stücke wie Kvitravn und Skugge folgen Klassiker wie Solringen, Bjarkan oder das imposante Tyr. Rund 90 Minuten spielen Wardruna ohne Unterbrechung. Ansagen oder Pause finden faktisch nicht statt. Erst als Einar Selvik das letzte Lied ankündigt, gibt es eine längere Pause. Nicht ganz freiwillig, aber sehr willkommen, denn das Berliner Publikum hält es nicht auf den Plätzen. Sie nutzen die kurze Schaffenspause für minutenlange Standing Ovations. An dieser Stelle zeigt sich auch wieder die Bodenständigkeit der Musiker. Nicht nur Mastermind Selvik ist sichtbar berührt. Seiner längeren Rede merkt man das deutlich an. Als er sich schließlich wieder gefasst hat und seiner Dankbarkeit Ausdruck verliehen hat, äußert er sich zur Bedeutung seiner Musik. Es geht nicht um schlichtes Wikinger-Cosplay oder darum, die Überlegenheit einer Kultur zu vertonen. Ihm geht es darum, wieder Verbindung zu den eigenen Wurzeln herzustellen. Nicht im romanischen Sinne, sondern eher im Praktischen. Geschichte begründet Traditionen. Traditionen begründen Lieder. Und diese Lieder in die Welt zu tragen und die Menschen wieder zum Singen zu bewegen, ist ein Anstoß für Wardruna. Und so leitet er dann auch über zu einem Abschiedslied. Als letzte Lied (oder fast) erschallt das epische Helvegen.

Nach einer abermals mit donnerndem Applaus gefüllten Pause, gibt es ein letztes Lied als Zugabe. In seiner Tradition als Skalde gibt Einar Selvik einen kurzen Ausschnitt aus der Voluspá zum Besten. Kurz deswegen, weil das Original mehr als 60 Strophen hat. In jedem Fall ein wunderschöner Rausschmeißer. Hoffen wir, dass ein Wiedersehen nicht wieder 5 Jahre dauert.

Hannes Fuchs Hannes Fuchs

Musik der härteren Gangart ist Hannes‘ Leidenschaft. Früher selbst auf der Bühne hat er vor einigen Jahren die Gitarre gegen die Kamera getauscht und ist mitten drin statt nur dabei.