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Wacken Open Air 2022 Samstag

Mark CarstensMark Carstens, 09.08.2022

Mark Carstens

Mark Carstens
09.08.2022

Der dritte Tag vom Wacken Open Air ist zumindest bei mir etwas ruhiger. Zwei Tage Festival stecken einem in den Knochen, der Fitness-Tracker gratuliert einem dass man das Wochenziel an Schritten in den letzten Zwei Tagen übertroffen hat, die Stimme ist kratzig und bleibt auch kratzig wenn man sie mit Bier spült (was an den Tagen davor gut funktioniert hat). Irgendwo im Hinterkopf wachen so langsam Themen wie die Rückreise und die Arbeit am Montag auf und wollen sich nicht so recht wieder schlafen legen. Dazu kommt das die großen Headliner Judas Priest und Slipknot bereits gespielt haben, und Limp Bizkit, ursprünglich als dritter Headliner geplant, musste absagen weil Frontmann Fred Durst krank geworden war. Natürlich spielen am 3. Tag auch noch sehr gute Bands wie Arch Enemy, Powerwolf und Tarja, aber man kann Powerwolf einfach nicht mit Judas Priest und Slipknot vergleichen.Eine Pandemie mit Lockdowns, ein digitales Wacken Open Air nur als Livestream in 2020, der Versuch mit “Bullhead Metal City” ein kleines Festival auf die Beine zu stellen, welches dann doch abgesagt wird im September 2021 und schließlich 2022 nach 3 Jahren Pause endlich wieder ein Wacken Open Air wie man es kennt. Obwohl, nicht ganz so wie man’s kennt. Wie in der Gastro und auf anderen Großveranstaltungen merkt man den Personalmangel und die fehlende Routine. Gerade bei der Anreise gab es viel längere Wartezeiten als sonst, und auch der Einlass am ersten Tag mit Band-Ausgabe lief nicht so reibungslos wie man es aus früheren Jahren gewohnt ist.

Andererseits ist der Erwartungsdruck auch weg. Man hat coole bands gesehen, alte Bekannte getroffen und neue Freunde gefunden, Merch gekauft, die Fressbuden besucht die man unbedingt ausprobieren wollte und hat Wacken schon jetzt als erfolgreiches Event abgespeichert. Man weiß jetzt schon wovon man den Kollegen am Montag erzählen wird und beschließt Zelt und Schlafsack zu an die Wacken-Foundation zu spenden, die es dann an Bedürftige weitergeben. Man atmet den Duft des Ackers tief ein, holt sich ein Bier ung zieht los, um noch einmal coole Bands zu sehen. Und dann ist auch gut, bis morgen, wenn der Vorverkauf der Tickets für 2023 startet.

Vended

“Vandal?”, “Bended?”, “Mit V oder B?” waren die Reaktionen als ich vorschlage zur WET-Stage zu gehen und Vended anzusehen. Samstag Morgen, nach 2 Tagen Festival, um 11 Uhr morgens. Aber Allein die Besetzung macht mich neugierig, und ich bin offenbar nicht er einzige. Denn in Vended spielen Griffin Taylor und Simon Crahan mit, Söhne von Slipknot-Gitarrist Corey Taylor und Slipknot-Percussionist Shawn Crahan (der mit der Clowns-Maske). “Ein Song, und dann aber zu den Hööhnern” willigt der Kollege als Köln schließlich ein. Am Ende bleiben wir für 2 Songs. “Ded to Me” und “Burn my Misery” sind kraftvolle Songs, die weniger an das Nu Metal der Väter erinnern sondern in Richtung Deathmetal gehen, mit schnellen, harten Hardcore-Elementen. Der Nachwuchs springt über die Bühne und growlt ie ein großer ins ein Mikrofon. “Aber jetzt die Höhner” besteht mein Kollege als Köln, sonst wäre ich gern noch ein wenig geblieben und hätte mir den die allererste Single “Asylum” noch gerne live angesehen. Die Jungs sind bereits gut, und mit der richtigen Guidance (die sie bestimmt bekommen werden) können sie richtig gut werden.

Hööhner

Samstag Morgen, dritter Festival Tag, 11 Uhr 11. Was aus einer Schnaps-Idee zwischen Thomas Jensen (Mitgründer Wacken) und Henning Krautmacher (Frontmann “Die Höhner”) entstand wird nun wahr. Ich bin mir sicher dass der Satz “Wär doch lustig wenn die Höhner mal auf Wacken spielen” in irgendeiner Form nach 3 – 12 Bier gefallen ist und alle herzlich über die Idee gelacht haben. Nun, einige Zeit später, wird der 10-Sekunden Countdown bis 11 Uhr 11 runtergezählt. Die Höhner spielen auf der kleinen “Wackinger” Bühne vor dem Wacken-Mittelaltermarkt. Und der Mittelaltermarkt ist voll. Alle Zugänge zum Mittelaltermarkt sind von neugierigen Metal-Heads verstopft, während die richtigen Karnevalisten (Wacken-Konform mit schwarzen Karnevals-Nasen) das Feld vor der Bühne füllen, riesige Köln-Fahnen schwenken und den eindruck erwecken dass sie nur für die Höhner nach Wacken gekommen sind. Pünktlich um 11 Uhr 11 kommen die Höhner dann auf die Bühne und starten passend mit “Jetzt geht’s los” ihr Set. Und der ganze Mittelaltermarkt singt mit. Es ist eine andere Atmosphäre als wenn man “Turbo Lover” oder “Breaking the Law” mitsingt. Es ist vergleichbar mit dem Torfrock-Auftritt vom Donnerstag, nur weniger Platt und mehr Kölsch, weniger Rock und mehr “Schlager” wie wir im Norden sagen. “Nisch Schlager, Kaarnevals-Musik.” belehrt mich der Kölner Kollege. So oder so ist es eine angenehme leichte Kost zum morgendlichen Kater oder ersten Bier. Alle sind gut gelaunt, alle singen mit. Mittendrin wird Metallica gecovered, es wird zur Melodie von “Nothing Else Matters” Köllsche Texte gesungen. Eine Hommage an Metallica, die in Köln 2019 “Viva Colonia” gecovered haben. Das Set geht weiter mit Gute- Laune Songs, und endet mit “Viva Colonia”. Ein super warm-up für die Stimme für die folgenden Bands.

Ann Wilson

Ich vermute dass der Name “Ann Wilson” bei vielen nur ein Schulterzucken auslöst. Für mich als Kind der 80er ist mir die Stimme von Ann Wilson dank den Soundtracks von “Footloose”, “Auf der Suche nach dem goldenen Kind” und “Tequila Sunrise” in Erinnerung. Gleichzeitig war sie auch Frontfrau der band “Heart”. In 2018 hat Ann Wilson nach langer Zeit ein Album rausgebracht wo sie Songs von Bands Covert, die sie beeindruckt haben, so wie Amy Winehouse, Tom Petty und David Bowie. Auf der Louder-Stage in Wacken präsentiert Ann Wilson ein gemischtes Set aus eigenen Songs, “Heat” Songs und Convern von Rock-Legenden wie Led Zepplin und The Who. Auch wenn sie nicht mehr die Jüngste ist hat Ann Wilson immer noch eine Beeindruckende Stimme mit dem Typischen 80er Jahre Rock-Röhren-Klang und hat bestimmt auch ein paar neue Fans gewonnen die aus neugier oder zufällig in der Nähe der Louder-Stage waren.

Gluecifer

Es ist das Zeitalter der Reunion-Tours. Seit einigen Jahren (mit Covid Pause) haben sich zahlreiche Bands für eine Tour “Wiedervereinigt”. Manchmal hat man Glück, und die bands bleiben danach noch zusammen und machen weiter. So wie Gluecifer. Die Norweger, 1994 zur Band zusammengewachsen, 2005 getrennt, fanden sich 2017 zu einer Reunion-Tour zusammen und sind immer noch “auf Tour”. Musikalisch liefert Gluecifer den typischen 90er Stimmungs-Rock ab den man in Autoradios mit Kassettendeck erwartet. Gluecifer spielt guten, soliden Rock n Roll, der gute Laune verbreitet und und dazu führt dass man sich selbst beim unbewussten Mit-Wippen erwischt. Songs wie “Easy Living”, “Shaking so bad” oder (mein persönlicher Favorit) “Car Full of Stash” kann man sich immer mal wieder anhören und sollten auf keinem Roadtrip in der Playlist fehlen.

Tarja

Man nehme ein “klassiches Powermet-Quartett” aus zwei E-Gitarren, einem E-Bass und einem Schlagzeug (bevorzugt mit Double-Bass-Drum), ergänze das ganze mit einem Keyboard und suche sich eine Sängerin mit klassisch anmutenden Klargesang-Stimme die man in ein schwarzes Kleid steckt und blass mit schwarz akzentuierten Augen und Mund schminkt. So oder so ähnlich lautet das Rezept für Symphonic Metal Bands, zu denen Delain, Evergray, Within Temptation und Beyond the Black gehören. Aber eine der ersten Bands die zu den größten Wegbereitern des Symphonic Metals gehörten war Nightwish, und die erste Sängerin dieser Band ist Tarja Turunen. Seit 2005 gehen Tarja und Nightwish getrennte Wege. Nightwish hat mittlerweile mit Floor Jansen ihre dritte Frontfrau, und Tarja Turunen tourt als “Tarja” durch die Welt und zeigt, dass der Erfolg von Nightwish ohne sie nicht möglich gewesen wäre. Die gebürtige Finnin mit einer klassischen Gesangsausbildung und einer unglaublichen Sopran-Stimme singt nach wie vor ihre Metal-Songs als wären es Opern-Arien, und lässt in den Gesangspausen ihre schwarze Mähne kreisen wie es sich für einen Metal-Head gehört. In ihrer Band wurde die zweite E-Gitarre durch ein E-Cello ersetzt dass einen wärmeren Sound mitbringt und den Instrumental-Parts einen zusätzlichen klassischen Anstrich gibt. Songs wie “Dead Promises” und “Falling Awake” geben ihr genug Raum um ihre Stimme vollends zu entfalten, sind aber noch schnell, kraftvoll und “langweilig” genug als dass sie nicht in Schönheit stirbt wie das 27 Minuten Gitarren-Solo eines Progressive-Metal-Songs. Und natürlich darf “Over the Hills and Far away” nicht fehlen, die erste Hit-Single von Nightwish und Tarja, damals 1998 als man ihren Stil mangels Kategorisierung noch “Opern Metal” nannte. Eine meiner ansicht nach sehr passenden Bezeichnung für eine begnadete Sängerin, und ihre Metal-Band.

Danko Jones

Ohne mich zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen behaupte ich basierend auf meiner persönlichen Erfahung, dass viele Metal-Heads auch gern Rock hören. Und offensichtlich auch Karnevals-Musik, wie ich heute morgen bei den Höhnern gelernt habe – aber das ist ein anderes Thema. Umgekehrt – wiederum basierend auf privaten Gesprächen die ich geführt habe, also die Berühmte Statistik of One – scheinen Rock-Bands wirklich gerne in Wacken aufzutreten. Eine dieser bands die gefühlter Dauergast in Wacken ist ist Danko Jones. Ich persönlich hab danko 2006, 2011 (oder war’s 2012?), 2015 und jetzt noch mal 2022 live in Wacken gesehen. D.h. ich war auch bei der Aufnahme von Danko Jones’ “Live in Wacken” Album 2015 dabei, woohoo. Auch diese Jahr kommt der immer gut gelaunte Kanadier mit einem schelmischen Lächeln auf die Bühne, macht Scherze dass all seine Songs nur darüber handeln mit einem Mädel rumzuknutschen, macht sich darüber lustig dass Metal-Heads ja lieber mit Drachen rumknutschen möchten, und liefert seinen soliden (wenn auch nicht besonders abwechlungsreichen) Garge-Blues-Rock ab. Eröffnet wird das Set mit “Sarurday” von dem neuen Album “Power Trio”, gefolgt von “I gotta Rock” vom Album “Wild Cat” (eins seiner besten, finde ich) und natürlich darf auch sein Ohrwurm-Hit “First Date” nicht fehlen. Ein Konzert von Danko Jones ist wie ein Besuch eines guten Freundes, der alle paar Jahre vorbeikommt um einen die neusten Schlüpfrigen geschichten zu erzählen die er erlebt hat. Und einen aufzieht dass man mit einem Drachen verheiratet ist. Und dafür muss man ihn einfach mögen.

Arch Enemy

Niemand growlt so schön wie Alissa White-Gluz (Frontfrau Arch Enemy). Ich weiß nicht wie oft ich diesen Satz schon geschrieben habe, aber er bleibt einfach wahr. Der blauhaarigen Schwedin (und mittlerweile 3. Frontfrau von Arch Enemy) haben die zwei Jahre Covid-Pause offensichtlich gut getan – vermutlich weil sie nicht growlen musste und ihre Stimme schonen konnte. Bereits beim ersten Song “The World is Yours” growlt Alissa ins Mikro wie nur sie es kann. In den Growl-pausen wirbelt sie in gewohnter manier über die Bühne, von Gitarrist zu Bassist, in die Mitte um ihre Mähne im Kreis zu wirbeln, wieder ins Mikro gegrowlt und zack am Schlagzeug, dem Schlagzeuger zugewunken und schon wieder in der Bühnenmitte am Headbangen. Die Energie die Alissa an den Tag legt lässt jedes Duracell-Maskottchen vor neid verblassen. Dabei hält sie immer lang genug inne um dem Publikum zuzuzwinkern oder streng anzugucken, so wie es der Song und die Stimmung gerade verlangt. Ihre Mimik auf der Bühne entspricht dem eines professionellen Models das auch schnell zwischen verschiedene Stimmungen und Mimiken wechseln kann damit die Bilder nicht zu einseitig werden. nur das Alissa das nicht nur mit ihrem Gesicht macht, sondern auch mit ihrer Körpersprache, dabei noch die Masse einheizt und ihre Melodic Death Metal Songs growlt. Dies ist der Grund warum es sich immer lohnt Arch Enemy live zu sehen, weil man die Bühnenperformance als Kirsche-On-Top auf die Songs wie “War Eternal” und “As the Pages Burn” bekommt. Und dazu noch zwei Live-Premieren: “In The Eyes of the Storm” und “The Watcher” sind eine Kostprobe auf das nächste Arch Enemy Album “Deceivers” das am 12. August 2022 erscheinen soll.

Mark Carstens Mark Carstens Hamburg

Mark pendelt zwischen Düsseldorf und Hamburg – immer dorthin wo gerade die besten Konzerte sind. Der leidenschaftliche Fotograf ist im Herzen ein echter Hardrocker: Wacken, Elbriot oder Hamburg Metal Dayz, gerne laut und voll auf die Zwölf.