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Komfort beim Festival am Meer – Rolling Stone Beach 2022

Marten KoernerMarten Koerner, 15.11.2022

Marten Koerner

Marten Koerner
15.11.2022

Nachdem Schleswig-Holstein 2021 das Festival nach 3G-Coronaregeln möglich gemacht hatte, konnten in diesem Jahr 3.500 Teilnehmer ohne jegliche Restriktionen feiern! Die nunmehr 13. Auflage des Rolling Stone Beach (bis 2018 Rolling Stone Weekender) fand am 11. und 12.11.2022 im Ferienpark Weissenhäuser Strand statt. Das 2-tägige Indoor-Festival, das von der Konzertagentur FKP Scorpio und der Musikzeitschrift Rolling Stone Deutschland veranstaltet wird, haben wir im letzten Jahr als (im positivsten Sinne) „Komfortfestival“ bezeichnet. Bequeme Übernachtung im Ferienpark mit all seinen Annehmlichkeiten (Gastronomie, Supermarkt, Schwimmbad usw.) und kurze Wege zwischen den Bühnen locken alljährlich bis zu 4.000 Musikliebhaber mittleren und fortgeschrittenen Alters an die Ostsee.

Freitag

Opener beim Rolling Stone Beach 2022 ist BETTEROV. Der thüringer Sänger Manuel Bittorf bastelte sein Pseudonym aus seinem Nachnamen und der Figur Betterøv aus der dänischen Serie „Die Olsenbande“. Er war schon 2021 zu Gast beim Festival und Zugabe-Rufe brachten ihn arg in Verlegenheit, da er schon alle seine Songs gespielt hatte. Nun, auf der Zeltbühne und nach dem vor einigen Wochen veröffentlichten Debütalbum, passierte das natürlich nicht mehr. Er liefert eine souveräne Eröffnung mit seiner musikalischen Mischung aus Indie- und Postrock.

Bei BLACK COUNTRY NEW ROAD aus London im Baltic Festsaal erleben wir ein komplett überarbeitetes Programm nach dem Anfang des Jahres aus gesundheitlichen begründeten Ausstieg des Sängers Isaac Wood. Neues, bis dato unveröffentlichtes Material. Es ist ein sehr ruhiges, besinnliches Set, das dennoch dynamisch daherkommt.

PUBLIC SERVICE BROADCASTING, ebenfalls aus London, sind auf der Zeltbühne mit ihrem gesampleten Artrocksound/Dance Pop zu erleben.

Die Texaner von MIDLAKE beeindrucken im Baltic Festsaal mit Alternative-Rock, der bisweilen fast psychedelisch wirkt.

BLOOD RED SHOES aus Brighton lassen es im Zelt dagegen richtig krachen. Sie schaffen zu zweit, wofür andere Bands 5 Musiker brauchen. Feinster Garagerock, cool präsentiert!

Ja, AMYL AND THE SNIFFERS „from down under“ waren in diesem Jahr im Voraus unser Favorit und wir werden bestätigt. Hier brennt der Baum, feinster Punk, meist in in 2,5 min alles gesagt, BÄÄÄÄÄÄHMMM next song. Amy Taylor „derwischt“ über die Bühne, als gäbs kein Morgen. Leidenschaft mit Hochleistungsphysis. Die moshpit formiert sich und tut, was sie soll. Das Ganze endet nach 70 min und ein paar Hundert Menschen, die sich schweißüberströmt in die Augen schauen und sich fragen, wann und ob sie so etwas schon einmal erlebt haben.

Bleibt für heute noch MAXIMO PARK. Die Postpunk/New Waver sorgen auf angenehme Art für Britpopfeeling. Das ist für den ersten Abend ein sehr feiner Ausklang.

Samstag

Haben wir im letzten Jahr so richtig norddeutsches Novemberwetter spüren dürfen, so mit 5 Grad, Nieselregen und „büschen Wind“ (ein bisschen Wind), so werden wir heute mit goldenem Herbstwetter geweckt. Um die 10 Grad und blauer Himmel lassen viele Festivalgäste den Vormittag mit einem Strandspaziergang verbringen.

Wir starten mit der Lesung von MARKUS KAFKA, der sein Buch über seine Begegnungen mit Depeche Mode sehr charmant und unterhaltsam vorstellt. Der Bandname THE HEAVY HEAVY aus Großbritannien lässt schwarzlederbekleidete Metaler vermuten. Weit gefehlt. Aus dem Singer/Songwriter Duo ist mittlerweile eine fünfköpfige Band geworden, die  im Baltic Saal irgendwo zwischen Pop/Folk/Blues/Rock mäandert. Wir lassen uns gern in die späten 60er entführen. Manchmal hört man ein wenig Fleetwood Mac heraus.

DRANGSAL als Starter in den Konzertreigen auf der Zeltbühne ist sehr geeignet. Max Gruber fordert ganz fix zum Tanzen auf, was nicht sofort funktioniert, aber der Funke des New Wave/Pop springt dann doch über. Trotz allem Spaß: Dem am 9.11. verstorbenen Kristof Schreuf widmet die Band „Love me or leave me alone“ . Insgesamt  ein hoch energetisches Konzert, dass uns in den Abend geleitet.

Wie auch immer die britischen Musikerinnen auf ihren Bandnamen gekommen sind, GOAT GIRL werden jedenfalls als Indie-Rock Sensation gefeiert. Sehr zurückhaltend, ja fast schüchtern agieren die „Ziegenmädchen“ und zaubern verträumte, fast symphonische Klänge, die trotzdem rockig krachen.

CHUCK RAGAN aus Florida liefert im Zelt mit knarzender Stimme Countrysound leidenschaftlich zur Akustikgitarre/Mundharmonika und mit Fiddle im Duett. Man spürt förmlich den Staub eines einsamen highways durchs Zelt wabern. Allerdings wird es nach einer Stunde mit songs ohne jegliches entertainment fast etwas langweilig.

„In diesen Zeiten muss man Optimist werden, sonst geht man zugrunde“, sagte Konstantin Gropper von GET WELL SOON zur Pandemie. Eigentlich nicht für besonders fröhliche Gemütszustände bekannt, erleben wir das Konzert eher positiv, intensiv und eben optimistisch.

RIDE gelten als Mitbegründer des Shoegazing sounds. 1988 gegründet, 1995 aufgelöst und 2014 wiedervereinigt, haben wir so die Möglichkeit, diesen Stil im Baltic Saal noch einmal aus erster Hand zu erleben.

JOCHEN DISTELMEYER, der im letzten Jahr noch mit Blumfeld beim Rolling Stone Beach gastierte, lässt uns heute an seinem Soloprogramm „Gefühlte Wahrheiten“ teilhaben. Ausschließlich auf Akustikgitarre singt er von Erotik, Verschwörungstheoretikern und Zusammenhalt. Seine fanbase feiert. Er erntet verdient, was er sähte.

TEENAGE FANCLUB aus Glasgow beschließen das Festival. Es wird ein letztes Mal voll im Zelt. Mit wunderbaren songs wie „Your love is the place where I come from“ oder „Alcoholiday“ lassen wir uns in die Nacht verabschieden und haben schon beschlossen, das wir sicher auch 2023 wieder am Start sind beim ROLLING STONE BEACH.

Marten Koerner Marten Koerner

Als Fotograf und Redakteur versorgt Marten das Team regelmäßig mit Material aus der Region Rostock. Als Musikfan ist ihm aber auch kein Weg zu weit, jedes Jahr fährt er bis nach Dänemark um beim Roskilde Festival dabei zu sein.