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Hurricane Festival 2022 – Unsere Highlights am Sonntag

Julia LangmaackJulia Langmaack, 20.06.2022

Julia Langmaack

Julia Langmaack
20.06.2022

Am letzten Festivaltag beim Hurricane Festival 2022 schenkt der Wettergott zum Abschied nochmal angenehme Temperaturen für die Besucher. Eigentlich sollte es regnen, bleibt dann aber bei einem Sonne-Wolken-Mix. Bevor es aufs Gelände geht, werden in Ruhe noch die letzten Würste vergrillt, geduscht und relaxt. Schließlich hat sich über die letzten zwei Tage dermaßen viel Staub und Dreck auf wirklich jedem und allem festgesetzt, das will man hier und da erstmal loswerden. Auch wenn es nicht lange anhält.

Die 78.000 Zuschauer haben schließlich noch einmal einen musikalisch vollgepackten Tag vor sich. Mit Bands der Extraklasse geht es auch am dritten Festivaltag weiter. An den Start gehen u. a. Tones and I, The Hives, Kontra K, Bring me the Horizon, Royal Blood, Thees Uhlmann und die beiden wohl am meisten erwarteten Auftritte von Rise Against und Kings of Leon. Letztere besetzen die Position des letzten Headliners bei der diesjährigen Ausgabe des Hurricane. Ihr Auftritt ist das Finale des Festivals am Eichenring und soll gegen 00:00 Uhr das Ende einläuten.

Skindred

Die fünf Waliser drehen mit ihrem Mix aus Metal, Hip-Hop und Reggae gleich am frühen Freitagmittag beim auf der Forest Stage voll auf. „Big Things“ erwarten das Publikum. Mit dabei haben sie natürlich jede Menge Hits der aktuellen Scheibe aus. Es muss ja auch nicht immer neues Material sein. Nach einer ausgiebigen Begrüßung und einigen Späßen von Frontsänger Benji Webbe geht es weiter mit „Ratrace“. Mit ihrem mitreisendem Charisma schaffen es Skindred, ihre Zuschauer zu jedem einzelnen Song mitzureißen – egal ob sie das Publikum dabei gesanglich für den Refrain für „That’s My Jam“ in zwei Hälften aufteilen oder alle kollektiv für mehr Power bei „Kill the Power“ einspannen. Konsequent vermischen Skindred ihren aufgepeppten Nu Metal mit Reggae/Dub/Dancehall – das kommt gut an. Mit dem Song „Warning“ beenden Skindred ihr 40-minütiges Live-Set.

Alice Merton

Die deutsch-britische Sängerin Alice Merton ist bereits viel herumgekommen. In Kanada aufgewachsen, dazwischen auch noch in England gewesen und nun lebt sie in Berlin. Nach erstem Studium der Wirtschaftwissenschaften hat sie sich kurzerhand umorientiert und Popmusikdesign an- und abgeschlossen. Und was dabei herauskommt, dass sich die junge Dame so intensiv mit Musik auseinander gesetzt hat, ist die perfekte, musikalische Unterhaltung. Sie hat ihre Fähigkeiten brillant eingesetzt und präsentiert knackig-fetzige Popsongs, die mit ihrem wunderbaren Gesang, tollen Geschichten und guter Instrumentierung punkten. Gleich mit ihrer ersten Single „No Roots“ hat Alice Merton DEN ultimativen Ohrwurm geschaffen. Dank der weiteren Singles wie „Hit The Ground Running“, „Lash Out“ oder „Why So Serious“ hat sie schnell unter Beweis gestellt, ihr Weg ist nicht lang vom Geheimtipp zur gefeierten Pop-Newcomerin. Beim Hurricane Festival 2022 wird die Kanadierin, sie tritt an Stelle von Sam Fender auf – und mit Neugierde und guter Laune empfangen, ihre Songs und Performance mit textsicherem Chor und sogar handgemalten Bannern gewürdigt.

Blues Pills

Holy Moly! – so lautet der Titel des aktuellen Blues Pills-Album aus 2022. Sängerin Elin Larsson und ihre drei Bandkollegen sind als nächstes auf der Mountain Stage dran. Was sofort auffällt, die  Sängerin mit dem einnehmendem Lächeln und der Soul-Stimme turnt barfuss über die Bühne, das macht sie aber bei den meisten Auftritten, während sie mit ihrem Bluesrock die Fans begeistert. Die Band von Elin ist anders als die meisten Gruppierungen. Der Drummer ist der entspannteste Trommler den man live wohl zu sehen bekommen kann – keine verzerrten Gesichter, keine großen Gesten, nur ein zufriedenes Lächeln und Unterarme, die die Sticks über das Drumset tanzen lassen. Der Gitarrist wiegt verträumt-konzentriert seinen Kopf hin und her und hebt würdevoll sein Pick auf Kopfhöhe, wenn er einen guten Riff zu Ende gespielt hat. Bassist und Keyboarder nicken sich freundlich zu. Und vor dieser ruhigen Kulisse dann Elin, das blonde, barfüßige Energiebündel, das mit wehenden, blonden Haaren über die Bühne tanzt. Mit ihrem strahlenden Lächeln die Herzen in ihren Bann zieht und in einer Liga mit Janis Joplin und Aretha Franklin singt.

Tones and I

Die Singer-Songwriterin Toni Watson ist unter ihrem Pseudonym Tones and I bekannt. Mittlerweile. Vor weniger als drei Jahren hat die Australierin noch Straßenmusik gemacht, nun haben ihre Musikvideos und Songs Milliarden Klicks und Hörer. 2019 hat Tones and I DEN Hit des Jahres mit „Dance Monkey“ gelandet, dem sich wohl niemand entziehen konnte, denn er lief auf sämtlichen sozialen Media-Plattformen und Radiosendern rauf und runter. Die prägnanten Stimme der Sängern hat irgendwie den aktuellen Zeitgeist getroffen und ist über Nacht zum Star geworden. Mit ihrer folgenden Single „Ur So F**kInG cOoL“ hat sie nahtlos an die Erfolgssträhne angesetzt und mittlerweile, in 2021, ihr Debütalbum „Welcome to the Madhouse“ veröffentlicht. Wegen Corona fielen die ersten geplanten Touren aus, nun ist es endlich soweit, dass die Sängerin ihre Hits live vor Publikum präsentieren kann. Und es sind jede Menge gut gelaunte Zuschauer gekommen, um das mitzuerleben.

Swiss & die Andern

Auf der Forest Stage ist das musikalische Programm vom Fokus her eindeutig auf Aggressionsbewältigung gelegt. Dazu kommen Swiss und Die Andern als deutsche Punkrock-Band aus Hamburg gerade recht. Die Formation besteht aus dem Frontmann Swiss, sowie dem Bassisten Matze Grimm, dem Gitarristen Jakob Schulze, dem Schlagzeuger Tobias Gerth und dem DJ Da Wizard. Der Sound und die forschen, auch oft gesellschaftskritischen Töne werden einem hier nur so um die Ohren gedrescht. Aber klar, das will da Publikum auch so, denn dazu kann ordentlich abgefeiert werden.

 

Royal Blood

Mike Kerr und Ben Thatcher sind zwei, die hoch hinaus wollen. Der Sound des jungen Rock-Duos aus Brighton hat ordentlich Wucht und Reife und das bei einer mit neun Jahren noch jungen Bandgeschichte von zwei Vorstadt-Jungs. Fette Bässe, treibende Backbeats zwischen Hard, Blues oder Stoner Rock, dazu Frontmann Mike Kerr’s raues Organ, mit dem er ebenso gut singen wie schreien kann. Royal Blood sind steil auf dem Weg in das internationale Musikgeschäft und schicken den Zuschauern vor der Forest Stage feinsten Garage-Rock auf die Ohren, vor allem aber auch Songs vom neuen Album „Typhoons“ aus 2021, das live bisher noch kaum Gehör finden konnte.

Thees Uhlmann

Eigentlich kennt man ihn ja als Sänger der Band Tomte. Da dort aber gerade eine kleine Pause eingelegt wurde, hat Thees Uhlmann auf eigene Faust inzwischen drei Solo-Alben herausgebracht. Wäre ja sonst auch langweilig. Thees ist am frühen Abend auf der River Stage in Plauderstimmung und erzählt zwischendrin witzige Anekdoten aus seinem Leben. Das Infield ist rappelvoll und die Besucher tanzen und feiern mit Thees um die Wette.

 

The Hives

Und da haben wir erneut eine Wiederholungstäter-Band – The Hives sind schon 2016 auf dem Eichenring gewesen und haben sich und den Zuschauern die Seele aus dem Leib gerockt. Sechs Jahr später kehren Howlin „Pelle“ Almqvist, Nicholaus Arson, Chris Dangerous, Dr. Matt Destruction und Vigilante Carlstroem nun endlich wieder zurück zum Hurricane. Die Jungs aus Schweden stehen für handgemachten Alternative-Rock. Und dafür, alles selbst zu übernehmen: Die Alben selbstproduziert, selbsteingespielt, selbstveröffentlicht und selbstbeworben. Hut ab. Die Skandinavier mit der Punk-Attitüde haben ihren Durchbruch in 2000 erreicht, eben weil sie genau die richtige Mischung aus überdrehtem, aggressivem Punk und eingängigem Pop geliefert haben. Hier geben sich alte und neuere Hits die Klinke in die Hand. Schnell und punkig, vor allem aber mit Rotz und Aggressionen gefüllt ist das Liveset von The Hive, auf der Forest Stage geht es schmutzig und energiegeladen zur Sache. Frontmann Pelle Almquist sorgt mit seiner wütenden Stimme immer wieder für großartige, dreckige Höhepunkte.

Kontra K

Der charismatische Familienvater, Boxer und Coach schreibt in seinen Songs bekanntlich gern über sich selbst und über sein Leben. Dabei gewährt er tiefe Einblicke in seine Persönlichkeit. Und da liegt auch schon das Geheimrezept seines Erfolges: Identifikation. Denn seine große Hörerschaft findet sich problemlos in seinen Texten wieder. Vor der River Stage ist es rappelvoll, als am frühen Abend die Silhouette von Maximilian Diehn auf der Bühne zum Vorschein kommt. Im Publikum herrscht sofort absoluter Ausnahmezustand. Das Gekreische der Frauen übertönt fast die Musik und die unendlich vielen Handykameras starren gespannt auf die Bühne. Energiegeladen, gut gelaunt und natürlich gutaussehend, stürmt Kontra K die Bühne und liefert eine unglaubliche Performance. Für die zahlreichen weiblichen Fans zieht Kontra K natürlich wieder einmal blank und rappt sich oberkörperfrei durch ein gut gewähltes Set. Wo andere Rapper eher auf unnahbar machen, lässt Kontra K seine Fans lieber an sich heran. Berührungsängste kennt der Berliner nicht, er reicht den ersten Reihen die Hände und rappt seine Hits von mittlerweile 10 Studioalben gemeinsam mit den begeisterten Fans.

 

Bring me the Horizon

Seit 2019 gibt es von BMTH zwar keinen aktuellen Tonträger mehr, aber der letzte „Amo“ aus 2019 war so heiß gehandelt, da wird es schwer, nachzuziehen. Und bei fünf weiteren, hervorragenden Alben kann man auch erstmal mit dem arbeiten, was man hat. Diese innig geliebte Band aus Sheffield ist kreativ, verrückt, energievoll und vor allem ungezwungen. Erfrischend, die musikalische Entwicklung mit gewohnt sehr gutem Songwriting. Bring me the Horizon machen gerne was sie wollen. Sie fügen sich nicht ins Schicksal, immer wieder nur die gleichen abgedroschenen Riffs abzuliefern. Und damit trifft die Band genau den richtigen Ton der Generation. Die Zuschauer*innen (vor allem *innen) warten auf Oli Sykes und Co. Und dann geht es direkt los. Während sich begeisterte Mädels gegenseitig zu neuen Kreisch-Höhen anstacheln, wird die Mitte des Infields schnell von einem großen Moshpit dominiert, der sich während der gesamten Show fast durchgehend hält – nur gelegentlich für einen Circle Pit öffnet oder auf Wunsch auch zu einer Wall Of Death umformiert. So gehen Band und Publikum in der Musik völlig auf, die in perfekter Mischung die gesamte Diskografie von Bring Me the Horizon umfasst. Video-Trailer sorgen neben wenigen, kurzen Ansagen von Frontmann Oli zwischen drin immer wieder für etwas Zeit um mal Luft holen zu können. Im Großen und Ganzen gibt es von Bring Me the Horizon natürlich den allseits geliebten Metalcore und bei den neueren Songs eben einfach mehr Experimentierfreudigkeit. Live funktionieren alle Songs sehr gut und stacheln die Zuschauer zu ausgelassener Stimmung an. Für uns sind BMTH immernoch die Könige der aktuellen, alternativen Musiklandschaft.

Rise Against

Schon bevor es losgeht kocht die Stimmung im Infield vor der River Stage. Das Licht auf der Bühne ist ein einziges Gegenlicht-Geschmetter. Rise Against geben Vollgas. Die Band springt, rennt und entertaint ihre Fans. Leadsänger Tim Mcllrath und seine Hardcore-Punker haben Bock und fletschen die Zähne. Dazu geht es textlich immer in die richtige Richtung: politisch korrekt nutzen sie ihre internationale Punk-Plattform, um sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Daumen hoch. In 23 Jahren Bandgeschichte haben sich jede Menge Hits und powervolle Werke angesammelt, die es heute an den Mann und die Frau zu bringen gilt. Vor allem, weil das letzte und aktuelle Album „Nowhere Generation“ aus 2021 bisher live natürlich nur wenig bis gar kein Gehör finden konnte. Zeit wird’s!

Kings of Leon

22 Jahre Southern Rock. Die Brüder Caleb, Nathan, Jared und Cousin Matthew haben sich 2000 entschlossen, die Bands Kings of Leon ins Leben zu rufen. Das Debütalbum „Youth and Young Manhood“ ist nur drei Jahre später erschienen: ein Riesenhit. Weltweit haben sie dann den großen Durchbruch gefeiert, ihre Alben haben sich mehrere Millionen Mal verkauft. Ihre Megahits „Sex On Fire“ und „Use Somebody“ haben die US-Rocker in völlig andere Sphären katapultiert. Dazwischen hat das Album „Mechanical Bull“ zwar gefloppt, aber zuletzt haben ihre beiden Werke „Walls“ in 2016 und „When You See Yourself“ aus 2021 den Status der Band direkt wieder „rehabilitiert“. Nun sind die vier US-Musiker als Headliner beim Hurricane Festival am letzten Tag zu Gast und dies nicht zum ersten Mal (sie waren bereits im Jahr 2007 hier, damals noch auf einer der kleineren Bühnen). Es ist proppenvoll auf dem Infield. Bis in die letzte Ecke drängen sich die Zuschauer. Die Followill-Jungs haben es drauf, die Massen mit ihrem Southern-Rock und den catchy Melodien zu begeistern und das ist live natürlich noch einmal ein echtes Schmankerl. Da fällt einem der Abschied vom diesjährigen Festival noch deutlich schwerer.

Julia Langmaack Julia Langmaack Vechelde

Julia ist eigentlich vier Julias: Sie ist Julia, die Mediengestalterin, die seit 22 Jahren in der Werbewelt unterwegs ist. Julia, die Texterin. Julia, die Fotografin. Und Julia, die Inhaberin von stagr.de