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Heisser Start nach 2-jähriger Pause: Wacken Open Air 2022 Donnerstag

Mark CarstensMark Carstens, 09.08.2022

Mark Carstens

Mark Carstens
09.08.2022

Wacken Open Air 2019, trockenes und heißes Sommerwetter, die Hälfte der Zuschauer trägt Stoffmasken mit dem Wacken-Logo darauf um sich vor dem Staub zu schützen. Matthew Heafy, Frontmann von Trivium, spielt Samstagnacht zwischen den beiden Hauptbühnen sein Gitarrensolo während Judas Priest als Headliner für 2020 angekündigt wird. Und dann kommt alles anders. Eine Pandemie mit Lockdowns, ein digitales Wacken Open Air nur als Livestream in 2020, der Versuch mit “Bullhead Metal City” ein kleines Festival auf die Beine zu stellen, welches dann doch abgesagt wird im September 2021 und schließlich 2022 nach 3 Jahren Pause endlich wieder ein Wacken Open Air wie man es kennt. Obwohl, nicht ganz so wie man’s kennt. Wie in der Gastro und auf anderen Großveranstaltungen merkt man den Personalmangel und die fehlende Routine. Gerade bei der Anreise gab es viel längere Wartezeiten als sonst, und auch der Einlass am ersten Tag mit Band-Ausgabe lief nicht so reibungslos wie man es aus früheren Jahren gewohnt ist.

Dazu kommt dass dieses Jahr “cashless Payment” auf dem Gelände herrscht, jeder Besucher hat einen NFC-Chip an seinem Eintritts-Band und muss diesen Chip mit Geld aufladen um auf dem gelände Bier, Essen und Merch zu bezahlen. Ganz praktisch wenn man sich erstmal mit den Cash-Aufladestationen zurechtgefunden hat oder trotz schlechtem Empfang den Chip online aufladen konnte, aber bis dahin birgt das System doch ein wenig Frust-Potential. Ist man erstmal drin, ist der erste Festival-Tag vor allem eins: HEISS! Spitzenwerte von über 35 Grad und knallende Sonne ohne Wolken ließen die Rettungskräfte immer wieder ausrücken, und auch die Polizei verbrachte viel Zeit damit Wasserflaschen an die Besucher zu verteilen. Aber Wacken wäre nicht Wacken wenn die Metalheads sich von solchen Lappalien unterkriegen lassen würden. Sobald man auf dem Festival-Gelände ist und das erste Bier in der Hand hat wird gefeiert, getanzt und gemoscht wie jedes mal wenn der heilige Acker auf macht und es heißt: Faster, Harder, Louder!

Torfrock

Es gibt wenige Bands, die morgens um 11 schon ein großes Publikum vor ihrer Bühne versammeln können. Vor allem am ersten Festival-Tag, wo das Infield mit den beiden Hauptbühnen erst um 15 Uhr eröffnet wird. Aber für Torfrock ist Wacken ein Heimspiel, immerhin ist die Band vor 45 Jahren im Norddeutschen Schleswig gegründet worden und hat vor allem durch den Plattdeutschen Schnack eine sehr große Verbundenheit mit der Küste und die Friesland. Und so tummelten sich “früh Morgens” um 11 schon ein großer Haufen Metalheads und Rocker vor der Louder-Stage und lauschten den Gründungsmitgliedern Klaus und Raymond wie sie Klassiker wie “Volle Granate, Renate”, “Presslufthammer B-B-Bernhard”, “Der Boxer (Hau mir doch bitte nicht mehr auf die Lippe)” und natürlich den aus den Werner-Filmen bekannten Film “Beinhart” zum besten gaben. Mit 70 und 74 kann man von Klaus und Raymond keine wilde Bühnen-Performance wie z.B. von Arch Enemy oder At the Gates erwarten, aber morgens um 11 ist es ja auch mal ganz schön einfach nur mit dem 1. Bier in der Hand zu den Plattdeutschen Songs mitzugrölen.

Corvus Corax

“Wenn die Wikinger E-Gitarren hätten …” So beschreibt Covus Corax die Musika auf ihrem neuen Album “Era Metallum”. Bekannt von zahlreichen “Mittelalter Phantasie Spectaculum”, Mittelalter-Märkten und Festivals, sind die 7 Musiker auch immer wieder gern gesehen Gäste in Wacken, zuletzt 2017 und nun dieses Jahr wieder. “Era metallum” reiht sich in die Erfolgreichen alben von Corvus Corax ein, vor allem live macht der Wechsel aus langsamen Songs mit stampfenden Rythmen und grollendem Gesang und schnelleren Tanzliedern mit leichtfüßigen Rythmen und schnellen Gitarren sehr viel Spass. Prägend für den Klang von Covus Corax sind jedoch die beiden Martpfeilen (und wehe dem, man nennt sie vor einem Corvus Corax Fan “Dudelsack”, dann wird man schnell belehrt wo die ganzen unterschiede zwischen der Germanischen Marktpfeife und dem Keltischen Dudelsack sind). Die beiden Marktpfeifen (von denen eine selten auch mal durch eine drehleier ersetzt wird) legen mit ihrem breiten, durchgehenden Grundtönen und der eher beständigen Obermelodie eine sehr flächiges Klang-Fundament, dass die beiden E-Gitarren und den Gesang von Frontmann Castus Rabensang optimal stützt und der Musik das Mitteralterlich-Mystische gibt. Wer Mittelalter-Musik mag, aber Saltiato-Mortis und In Extremo als zu leichte Kost empfindet, wird bei Corvus Corax sicher fündig. Eben so, wie Wikinger Heavy Metal spielen würden.

Skyline

Jedes mal wenn ich das Wacken Open Air besuche ist es mir wichtig, dass ich Skyline nicht verpasse. Es ist einfach eine schöne tradition, dass die Band die von den Wacken-Foundern mitgeggründet wurde und der allererste headliner vom allerersten Wacken Open Air war nach über 30 Jahren immer noch auf dem heiligen Acker spielt. Natürlich nicht mehr als Headliner, dafür hat man Bands wie Judas Priest und Slipknot, aber Skyline ist immer die erste Band die auf der großen Bühne im Infield spielt und somit das Infield offiziell eröffnet. Natürlich ist Thomas Jensen schon seit Jahren von Andreas Laude-Schwedewsky am Bass abgelöst wurden, aber Drummer Andreas “Gösy” Schlüter ist immer noch am Schlagzeug und gibt den Takt bzw. den Herzschlag der Band vor, die wie jedes Jahr kraftvolle Cover wie “You shook me all night long” (AC/DC), “Hat I’ve done” (Linkin Park) und “Detroit Rock City” (Kiss) präsentiert. Und natürlich “30 Years Ago”, die Hymne für das 30Jährige Jubiläum von Wacken Open Air, die sie 2019 auf dem Infield spielten. Der Sound bleibt gleich, die Setlist verändert sich nur minimal, und doch freue ich mich jetzt schon wieder drauf, Skyline nächstes Jahr wieder in Wacken zu sehen – pünktlich zur Eröffnung des Infields.

Gravedigger

Bei Grave Digger erwartet man eigentlich ein “klassisches Metal-Quartett” aus Sänger, Gitarrist, Bassist und Schlagzeuger auf der Bühne. Stattdessen fällt der Vorhang, und ein Orchester aus zahlreichen Dudelsäcken (ja, diesmal Dudelsack, nicht Marktpfeife) und vier Trommeln steht auf der Bühne. Wie schon 2010 in Wacken wird der Grave Digger Gig mit “The Brave” eröffnet, nur dass diesmal ein paar mehr Dudelsack-Spieler und 4 große Trommeln statt den Marching-Snares spielen (in diesem Fall das Baul Muluy Pipes & Drums Ensemble). Aber dann kommen sie: 4 Langhaarige Metalheads, die sofort in die Saiten hauen, auf die Drums eindreschen und “The Dark of the Sun” spielen, eine der erfolgreichsten Grave Digger Singles. Aber mit dem Pipes & Drums im Gepäck dürfen natürlich auch Songs wie “The Clan’s Will Rise Again” und “Highlands Farewell” nicht fehlen, und alle 3 – 4 Songs springen auch die Pipes & Drums wieder ein und spielen Klassiker wie “The Clansman’s Journey” und “Heart of Scotland”. Insgesamt bekommt Grave Digger es gut hin, das Repartoir aus schnellen Power Metal Songs wie “Heavy Metal Breakdown” und den etwas schwereren Songs wie “Rebellion (The Clans Are Marching)”. Auch wenn in letzter zeit nicht viel neues von Grave Digger herausgebracht wurde erinnert das Konzert heute daran, dass es sich auf jeden Fall lohnt, mal wieder in die Grave Digger Playlist in Spotify reinzuhören.

Amon Amarth

Ein Überraschungsgast, der auf keinem der Wacken 2022 Plakate oder T-Shirts steht, sondern nur kurz vor dem auftritt auf Instagram angekündigt wurde: Die Schwedische Metal Band wurde von einem Aufmarsch zahlreicher Statisten in Wikinger Helmen, -Schildern und – Speeren angekündigt. Zum ersten mal spielt eine Band nicht auf einer der beiden Hauptbühnen, sondern von der kleinen Bühne dazwischen, direkt unter dem Wacken-Bullhead. Auch eine Neuheit in 2022, die ich persönlich sehr gelungen finde. Von da oben schmetterten die Überraschungsgäste in einem kurzen Gigs ihre größten Hits wie “Guardians of Asgard” und “Shield wall” bevor sie zwei Songs von dem neuen Album “The Great Heathen Army” zum ersten mal Live spielten, ein tag vor dem Album-Release am 05.08. “The Great Heathen Army” und “Get in the Ring” sind gewohnt kraftvoll mit melodischen Gesängen von Frontmann Johan Hegg’s grollend tiefer Stimme und werden nicht nur Amon Amarth Fans viel Freude bereiten. Und das kleine Intermezzo in Wacken überbrückte perfekt die Wartezeit zu Mercyful Fate.

Mercyful Fate

Auf den ersten Blick wirken Mercyful Fate wie eine Nordische Black Metal Band wie Behomoth oder Extreme Metal Band wie Cradle of Filth. Der Eindruck entsteht durch Dinge wie das Kopfstehende kreuz als Bühnendekoration und die weiße Gesichtsbemalung mit schwarz umrandeten Augen und Lippen von Frontmann “Kind Diamond”. tatsächlich war King Diamond der erste, der mit dem sogenannten “Corpsepaint” aufgetreten ist die Bands wie Behemoth und Cradle of Filth, aber auch Powerwolf tragen (ja ja, bei Powerwolf ist es Werewolf-Paint). Aber Mercyful Fate in die Schablone von Black Metal zu pressen ist zu einfach. Auch wenn die Songtitel wie “The Oath”, “Doomed by the Living Dead”, “Black Funeral” und “Come to the Sabbath” thematisch sehr finster sind, hat Mercyful Fate nicht die dumpfen Rhythmen und finsteren Bass-Linien die im Back Metal üblich sind. In den schnellen Gitarrenläufen und teilweise sogar leicht funkigen Bass-Lines verstecken sich die Ursprünge der Band, die als Punk anfing und sich dann zum Metal weiterentwickelt hat. bands wie Mercyful Fate haben die Grenzen des Heavy Metal immer wieder herausgefordert und erweitert, mit ihrer Bühnenshow die Geburt von Death- und Black-Metal vorangetrieben aber durch die Integration von Shouts und Riffs aus dem Hardrock-Bereich auch den Weg zum Powermetal mit ausgebaut. Gerade live erlebt man die musikalische Vielseitigkeit der Band die zu den Wegbereitern des Heavy Metal gehört und immer noch wissen, wie man 80.000 Wacken-Besucher einheizt.

Judas Priest

2019 wurde angekündigt, dass Judas priest ihr 50 Jähriges Bestehen auf dem Wacken Open Air 2020 feiern wollen. Daraus wurde nichts. 2 Jahre später ist die zahl des band-bestehens leider nicht mehr so rund, aber das lässt sich einfach fixen. Statt “50 Years Judas Priest” wird einfach “50 Metal-Years of Judas Priest” gefeiert, Also 50 Jahre in denen Judas Priest auftreten und Heavy Metal spielen konnte. Wobei das auch nicht ganz korrekt, ist, denn ursprünglich war Judas Priest eher eine Blues-Rock Band, die erst Mitte den Schwenk in Richtung Heavy Metal machte und 1980 mit dem Album “British Steel” und der Kult-Single “Breaking the Law” zu einem Star und dann zur Legende des Heavy Metals wurde. Aber Geschichte und Titel sind egal wen Rob Halford auf die Bühne kommt und sein beeindruckendes Stimm-Repertoire auspackt. Nicht umsonst nennt man ihn den “Metal God”, berühmt für die unglaublich hohen “Rob Halford Screams” und deiner Stimm-Bandbreite von über 4 Oktaven. Aber ich schweife schon wieder in technische Details ab. 50 Metal Years bedeutet Songs aus den vergangenen 50 Jahren die Rob Halford und seine Band vor über 80.000 Metal-Fans spielen, die sich allesamt ins Infield drängen um den Metal God singen zu hören. Leider hat er nur 1,5 Stunden zeit, was bedeutet dass nicht jeder all seine Lieblingssongs hören kann. Aber die Setlist ist eine Mischung aus Klassikern wie “Turbo Lover”, “Painkiller” und natürlich “Breaking the Law”, und Songs wie “Lightning Strike” vom neusten Album “Firepower”. Am Ende dominieren Songs von “British Steel” und “Painkiller” ein wenig, aber wenn man auf 50 Jahre zurückblickt darf man auch seinen Fokus auf die größten Erfolge legen.

Mark Carstens Mark Carstens Hamburg

Mark pendelt zwischen Düsseldorf und Hamburg – immer dorthin wo gerade die besten Konzerte sind. Der leidenschaftliche Fotograf ist im Herzen ein echter Hardrocker: Wacken, Elbriot oder Hamburg Metal Dayz, gerne laut und voll auf die Zwölf.