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Der Samstag bei Rock am Ring 2025: Vier Jahrzehnte, vier Bühnen

Dominik FiolkaDominik Fiolka, 07.06.2025

Dominik Fiolka

Dominik Fiolka
07.06.2025

Am zweiten Tag des 40. Rock am Ring war schnell klar: Wer hier feiern will, muss durchhalten können. Schlaf wird überbewertet – stattdessen überraschten die Veranstalter mit neuen Highlights, die wie Zündschnüre ins Herz der Festivalgemeinde brannten. Und das Publikum? Voll dabei. Das erste Ausrufezeichen wurde ausgerechnet dort gesetzt, wo sonst eher Brummschädel und Campingstühle dominieren: auf dem Zeltplatz. Um Punkt 13 Uhr brach plötzlich Jubel aus, als Feine Sahne Fischfilet einen unangekündigten Auftritt mitten im Camp hinlegten. Zwischen Pavillons, Dosenbier und schmutzigen Sneakers spielten die Punks aus dem Norden ein Set, das direkt unter die Haut ging: laut, wütend, aufrichtig. Der Circle Pit startete im Schlamm, die Botschaft saß – und das Festivalherz schlug schneller.

Doch der wahre Paukenschlag folgte später: Um 18 Uhr explodierte das Gelände erneut – Kraftklub stürmten unter tosendem Jubel als geheim gehaltener Jubiläums-Gig die Bühne. Was folgte, war eine Stunde mitreißende Eskalation, begleitet von Klassikern wie „Kein Liebeslied“ oder „Ich will nicht nach Berlin“. Ein Auftritt mit Ansage – direkt ins kollektive Adrenalinzentrum.

Der Rest des Line-ups stand dem Spektakel in nichts nach: Airbourne lieferten eine geballte Ladung Rock’n’Roll, bei der selbst der Asphalt zu schwitzen schien. In Flames hielten mit messerscharfem Metal dagegen, während Kontra K mit Pyro-Show und kämpferischer Attitüde ein Statement setzte. Rise Against brachten schließlich die emotionale Punkkante zurück ins Spiel.

Als es schließlich dunkel wurde, betraten die Meister des Wahnsinns die Bühne: Slipknot. Mit donnernden Drums, apokalyptischer Energie und einer Intensität, die fast greifbar war, fegte das Maskenkommando über die Utopia Stage. Und als „Duality“ durch die Nacht krachte, gab es keinen Zweifel mehr: Dieses Jubiläum ist mehr als ein Rückblick – es ist ein Ereignis. Und wir mittendrin.

Kittie

Am frühen Samstagnachmittag melden sich Kittie mit einem kraftvollen Auftritt auf der Mandora Stage eindrucksvoll in der deutschen Festivallandschaft zurück. Trotz über zehn Jahren Pause wirkt das kanadische Quartett kein bisschen eingerostet – im Gegenteil: Mit brachialer Energie und messerscharfer Präzision liefern Morgan und Mercedes Lander, Tara McLeod und Ivy Jenkins eine druckvolle Mischung aus Nu Metal, Groove und Hardcore. Klassiker wie „Brackish“ und „Charlotte“ treffen auf frisches Material vom aktuellen Album Fire, das live überraschend wuchtig zündet. Besonders „We Are Shadows“ sorgt mit düsterer Atmosphäre und emotionaler Wucht für einen echten Gänsehautmoment. Die Resonanz im Publikum ist euphorisch – das Comeback wird gefeiert wie ein Heimspiel. Kittie zeigen nicht nur, dass sie wieder da sind, sondern auch, dass mit ihnen künftig wieder fest zu rechnen ist.

Nothing More

Nothing More entfesseln ein energiegeladenes Spektakel, das irgendwo zwischen kontrolliertem Chaos, technischer Präzision und emotionaler Eskalation oszilliert. Frontmann Jonny Hawkins – barfuß, durchtrainiert und mit irrem Blick – wirbelt über die Bühne und turnt auf dem ikonischen „Scorpion Tail“, als wäre es ein Instrument aus einer dystopischen Zukunft. Zusammen mit Mark Vollelunga (Gitarre), Daniel Oliver (Bass) und Ben Anderson (Drums) liefert die Band ein Set, das nahtlos zwischen Wut, Melancholie und euphorischer Rebellion pendelt. Songs wie „This Is the Time (Ballast)“, „Go to War“ und frisches Material vom aktuellen Album Carnal reißen das Publikum mit, als gäbe es kein Morgen. Die Show wirkt dabei fast wie ein psychologisches Theaterstück in Metalform – intensiv, durchkomponiert und absolut mitreißend. Wer Nothing More live erlebt, versteht schnell: Diese Band lebt jeden Ton, jede Zeile, jede Geste – und zündet damit ein Feuer, das weit über die Bühne hinaus brennt.

Imminence

Imminence liefern ein atmosphärisch dichtes Set, das zwischen brachialer Wucht und orchestraler Schönheit pendelt – mit Geige, Gefühl und messerscharfem Metalcore. Frontmann Eddie Berg, gleichzeitig Sänger und Violinist, führt die Band durch ein düsteres Klangpanorama, das unter die Haut geht und visuell wie akustisch fesselt. Mit ihrem aktuellen Album The Black im Rücken verwandeln die Schweden die Bühne in eine emotionale Druckkammer, in der Songs wie „Come Hell or High Water“, „Paralyzed“ und „Lament“ einschlagen wie Gewitter. Unterstützt von Harald Barrett, Alex Arnoldsson, Christian Höijer und Peter Hanström wirkt das Quintett live absolut aufeinander abgestimmt – intensiv, präzise und zutiefst berührend. Zwischen Moshpit und stiller Gänsehaut gelingt Imminence der Spagat zwischen Härte und Zerbrechlichkeit mühelos. Wer sie bis dahin übersehen hat, wird sie nach diesem Auftritt nicht mehr vergessen.

Skillet

Als nächster Act zeigen Skillet, dass christlich inspirierter Hardrock alles andere als zurückhaltend klingen muss – laut, wuchtig und voller Stadion-Feeling entfesselt die US-Band ein echtes Feuerwerk. Frontmann John Cooper und seine Frau Korey Cooper, unterstützt von Jen Ledger und Seth Morrison, liefern eine Show ab, die mit Power, Präzision und echter Spielfreude überzeugt. Mit Songs wie „Monster“, „Hero“ und „Feel Invincible“ sowie neuen Tracks vom aktuellen Album Dominion: Day of Reckoning bringen sie die Menge zum Beben – zwischen treibenden Riffs, Synth-Flächen und mitreißenden Hooks. Besonders auffällig ist das Zusammenspiel der vier, das sowohl musikalisch als auch atmosphärisch perfekt funktioniert. Skillet beweisen, dass große Botschaften und große Gesten auf der Bühne wunderbar miteinander harmonieren können. Ihr Auftritt ist nicht nur ein Konzert, sondern ein emotional aufgeladener Höhenflug zwischen Glaube, Kraft und kollektivem Ausrasten.

Me First and the Gimme Gimmes

Me First and the Gimme Gimmes liefern eine absurd unterhaltsame Punkrock-Show, die irgendwo zwischen Karaoke-Abend, Comedy-Nummer und Highspeed-Moshpit pendelt. In bunten Hawaiihemden verwandeln Spike Slawson, Joey Cape, CJ Ramone und – wenn dabei – Fat Mike selbst die kitschigsten Klassiker wie „I Believe I Can Fly“ oder „Country Roads“ in mitreißende Pogoparolen. Ihr Konzept: bekannte Songs durch den Punkwolf drehen, gewürzt mit Klamauk, Timing und überraschend tightem Zusammenspiel. Dabei entsteht ein herrlich chaotischer Mix aus Covershow und Punk-Revue, der Publikum und Security gleichermaßen grinsen lässt. Mit dem aktuellen Album Blowin’ It – Again! zünden sie eine weitere Runde ihrer charmant entgleisten Coverkunst, die live wie eine überdrehte Jukebox auf Speed funktioniert. Me First and the Gimme Gimmes zeigen: Man kann alles covern – solange man es richtig laut und mit einem Augenzwinkern macht.

Kraftklub

Am Samstagabend um 18:05 Uhr wird die Mandora Stage zur Bühne eines spektakulären Überraschungsmoments, als Kraftklub zwischen Me First and the Gimme Gimmes und Airbourne mit einem geheimen Set die Umbaupause sprengen. Schon am Vortag ließ ein mysteriös emporgezogener Banner mit Kraftklub-Logo erste Gerüchte aufkommen, ein Countdown am Samstag machte dann endgültig klar: Hier passiert gleich etwas Großes. Umringt von tausenden verblüfften Festivalbesuchern liefern die Chemnitzer eine explosive Show voller Energie, Witz und politischem Biss. Felix Brummer und seine Bandkollegen Karl Schumann, Till Brummer, Steffen Israel und Max Marschk reißen mit Klassikern wie „Ich will nicht nach Berlin“ und „Songs für Liam“ genauso mit wie mit ersten Einblicken ins kommende Album Sterben in Karl-Marx-Stadt (VÖ: 28. November 2025). Der Mix aus Indie, Punk und Rap trifft mitten ins Herz der Menge – spontan, pointiert und mit einer mitreißenden Live-Präsenz. Kraftklub beweisen einmal mehr, warum sie zu den wichtigsten Stimmen der deutschsprachigen Musik gehören. Dieser geheime Auftritt wird zum emotionalen Höhepunkt des Tages – unvorhersehbar, laut und voll Kraft. Ein Vorgeschmack auf die Tour 2026, der Maßstäbe setzt.

Spiritbox

Spiritbox liefern eine Show, die wie ein Sturm durch die Sinne fegt – mal brutal, mal schwebend, immer kompromisslos intensiv. Courtney LaPlante changiert mühelos zwischen grollenden Growls und glasklarem Gesang und bestätigt eindrucksvoll ihren Status als eine der herausragendsten Stimmen des modernen Metal. Gemeinsam mit Mike Stringer, Josh Gilbert und Zev Rose entfaltet die Band bei Songs wie „Holy Roller“, „Circle With Me“ und „The Summit“ eine Klanggewalt, die ebenso technisch brillant wie emotional aufwühlend ist. Die besondere Stärke liegt im Kontrast: glasklare Melodien treffen auf rhythmische Härte, atmosphärische Dichte auf kathartische Wut. Mit dem aktuellen Album Eternal Blue: Reimagined erweitern sie ihr Klangspektrum noch einmal und zeigen, dass Innovation und Intensität keine Gegensätze sind. Spiritbox machen klar: Wer wissen will, wohin sich moderner Metal entwickeln kann, sollte genau hier hinhören.

Airbourne

Airbourne liefern am Samstagabend ein Brett von einer Show ab, das klingt, als hätte man AC/DC mit einem Stromschlag und einer Kiste Bier neu aufgeweckt – und genau so soll es auch sein. Die australische Band um den unermüdlichen Frontmann Joel O’Keeffe, seinen Bruder Ryan am Schlagzeug, Justin Street am Bass und Gitarrist Harri Harrison setzt auf puren, schweißgetränkten Hard Rock ohne Kompromisse. Songs wie „Runnin’ Wild“, „Live It Up“ und „Too Much, Too Young, Too Fast“ knallen live wie eine Hymne an das ungebändigte Leben und werden vom Publikum entsprechend abgefeiert. Airbourne sind laut, dreckig, direkt – eine Rock’n’Roll-Maschine, die keine Effekte braucht, sondern nur Energie, Bier und Gitarren. Mit dem neuen Album Back in the Game liefern sie genau das, was ihre Fans wollen: ehrliche Riffs, dreckiger Sound und jede Menge Attitüde. Kein radikaler Neuanfang – aber ein Volltreffer für alle, die wissen, dass Rock’n’Roll manchmal einfach laut und geradeaus sein muss.

Bullet for my Valentine

Bullet for My Valentine kehren auf die Utopia Stage zurück und beweisen einmal mehr, dass man von ihrem brachial-melodischen Metalcore nie genug bekommen kann – auch wenn ihr letzter Auftritt erst 2023 war. Mit Matt Tuck am Mikro, Michael Paget an der Gitarre, Jamie Mathias am Bass und Jason Bowld an den Drums liefern die Waliser ein Set, das kompromisslos abliefert: laut, präzise und voller Emotion. Klassiker wie „Tears Don’t Fall“, „Waking the Demon“ und „Your Betrayal“ lassen das Infield beben, während neues Material vom aktuellen Album Godspeed Inferno überraschend nahtlos mitreißt – dunkler, moderner, aber unverkennbar BFMV. Besonders auffällig ist die Balance zwischen hymnischen Refrains, messerscharfen Breakdowns und einer ungebrochenen Live-Energie. Die Band wirkt hungrig, fokussiert und mit einer Spielfreude ausgestattet, die jede Nostalgie überstrahlt. Wer dachte, BFMV seien ein Relikt aus der Emo-Ära, wurde hier lautstark vom Gegenteil überzeugt.

Heaven Shall Burn

Heaven Shall Burn verwandeln die Bühne in ein Schlachtfeld aus Sound, Haltung und flammender Entschlossenheit – ein Auftritt, der mehr an einen Aufruhr als an ein Konzert erinnert. Die Thüringer Metalcore-Instanz um Marcus Bischoff, Maik Weichert, Eric Bischoff, Christian Bass und Alexander Dietz entfesselt eine gnadenlose Wand aus Riffs, Blastbeats und klarer politischer Botschaft. Doch schon nach einem Song ist leider Schluss mit brachialen Riffs, klugen Botschaften und einer kompromisslosen Live-Energie – die Band bricht den Auftritt kurzfristig ab, leider hat Sänger Bischoff Stimmprobleme. Schade.

In Flames

In Flames entfesseln ein melodisches Death-Metal-Inferno, das eindrucksvoll unter Beweis stellt, warum sie seit Jahrzehnten zu den prägenden Kräften ihres Genres zählen. Frontmann Anders Fridén führt mit gewohnter Präsenz durch ein Set, das von Klassikern wie „Only for the Weak“, „Take This Life“ und „Cloud Connected“ bis hin zu frischem Material vom aktuellen Album Foregone II reicht. Gemeinsam mit Björn Gelotte, Chris Broderick, Tanner Wayne und Bryce Paul liefern die Schweden eine druckvolle Show, die technische Präzision und emotionale Tiefe gekonnt vereint. Der Mix aus knallharten Riffs, hymnischen Refrains und packender Bühnenenergie sorgt für eine dichte Atmosphäre, die das Publikum voll mitreißt. Besonders bemerkenswert ist, wie mühelos sich neue Songs ins Gesamtbild fügen – modern, aggressiv und dennoch unverkennbar In Flames. Wer hier war, hat erlebt, wie frisch und relevant Göteborg-Metal auch 2025 noch klingt.

Kontra K

Kontra K zeigt bei seinem erneuten Rock-am-Ring-Auftritt 2025 eindrucksvoll, dass Straßenrap und Festivalbühne bestens zusammenpassen – laut, direkt und voller Energie. Unterstützt von einer druckvollen Liveband liefert er eine Show, die zwischen Moshpit, Mitgrölmomenten und Gänsehaut pendelt. Tracks wie „Erfolg ist kein Glück“, „Warnung“ und „Letzte Träne“ treffen das Publikum mitten ins Herz – kraftvoll, ehrlich und mitreißend. Obwohl stilistisch eher dem Rap verhaftet, fügt sich Kontra K mit seiner Präsenz, seinem Sound und seinem kompromisslosen Drive nahtlos ins Rock-Line-up ein. Besonders auffällig ist die Symbiose aus hartem Beat, Live-Instrumentierung und klarer Botschaft, die den Auftritt so wirkungsvoll macht. Mit dem aktuellen Album Augen eines Tigers im Rücken beweist er einmal mehr: Genregrenzen interessieren ihn nicht – nur Wirkung zählt.

Rise Against

Rise Against entfesseln eine kraftvolle Show, die politisches Bewusstsein, eingängige Melodien und ungebrochene Punkenergie in perfekter Balance vereint. Tim McIlrath, Zach Blair, Joe Principe und Brandon Barnes reißen das Publikum mit Songs wie „Prayer of the Refugee“, „Savior“ und „Give It All“ sofort mit – zum Mitsingen, Mitdenken und Mitfiebern. Ihre Live-Performance lebt nicht nur von der musikalischen Präzision, sondern vor allem von der Haltung, mit der sie soziale Themen ansprechen und klar Position beziehen. Besonders beeindruckend ist die enge Verbindung zwischen Band und Publikum, das jede Zeile wie ein kollektives Statement zurückruft. Mit dem aktuellen Album Nowhere Generation II setzen sie ihre Linie konsequent fort: kritischer, fokussierter und genauso relevant wie eh und je. Rise Against stehen auch 2025 für Punkrock mit Substanz – laut, leidenschaftlich und alles andere als Vergangenheit.

Slipknot

Die Samstagnacht bei Rock am Ring 2025 wird zur infernalen Zeremonie, als Slipknot die Hauptbühne in ein brodelndes Chaos aus Masken, Pyro und Moshpits verwandeln. Die Nu-Metal-Ikonen um Corey Taylor, unterstützt von Shawn Crahan, Jim Root, Mick Thomson und dem restlichen maskierten Wahnsinnskollektiv, liefern eine Show, die in Sachen Intensität und Inszenierung kaum zu übertreffen ist. Mit brachialen Klassikern wie „Duality“, „Psychosocial“ und „Wait and Bleed“ zerlegen sie das Infield mit chirurgischer Präzision und entfesseln dabei eine unheilvolle Energie, die unter die Haut geht. Slipknot stehen seit jeher für eine explosive Mischung aus Wut, Ritual und unbändiger Live-Macht – und genau das bringen sie auch diesmal kompromisslos auf die Bühne. Besonders eindrucksvoll ist das neue Material vom aktuellen Album The Nameless Code, das experimenteller klingt, aber trotzdem den typischen Slipknot-Wahnsinn atmet. Nach diesem Auftritt bleibt nur eines sicher: Niemand verlässt diesen Platz unberührt – körperlich oder seelisch.

Aufgrund von Foto-Restriktionen war es uns leider nicht möglich Slipknot bei Rock am Ring 2025 zu fotografieren.

Dominik Fiolka Dominik Fiolka Vechelde

Aus Berlin stammt Dominik. Mittlerweile in der Region 38 ansässig, jongliert er mit Zahlen und Worten gleichermaßen. So übernimmt er als einer der Köpfe hinter stagr regelmäßig die redaktionelle Berichterstattung.